Irrwege
ist.«
»Ein Sartan…«
»Nein. Oder vielmehr, er war es. Aber nicht
mehr. Er ist jetzt einer von ihnen!«
»Wo willst du hin?«
Sang-drax hatte angefangen, sich unauffällig zum
Tor zu schieben. »Hütet Euch vor dem alten Mann, Gebieter. Hütet Euch…«
Ein imposanter Herr, von Kopf bis Fuß in Schwarz
gekleidet, löste sich aus den Schatten.
Kaum wurde er seiner ansichtig, streckte
Sang-drax aufgeregt die Hand aus. »Er ist der Drache, Fürst! Bannt ihn! Tötet
ihn! Rasch, während er in diesem schwachen Körper ist!«
Xar brauchte niemanden, der ihm das sagte. Die
Sigel auf seiner Haut flammten rot und blau, mit der Glut, die ihn vor einem
Feind warnte.
»Immer noch derselbe Feigling, nicht wahr?« Der
Herr in Schwarz stand vor Sang-drax. »Dies ist unser Kampf.«
»Tötet ihn, Fürst!« drängte der falsche Patryn.
In der Menschensprache wandte er sich an die Nichtigen, die verständnislos das
Geschehen verfolgten. »Gute Leute, laßt euch nicht täuschen. Dieser Mann ist
nicht, was er zu sein scheint. Er ist ein Drache! Und er plant, uns alle zu
ermorden. Tötet ihn! Schnell!«
»Bringt euch in Sicherheit, Freunde«, forderte
Xar die Nichtigen auf. »Ich werde euch vor dieser Gefahr retten.«
Aber sie rührten sich nicht vom Fleck.
Verängstigt, verwirrt, zu dumm – wer weiß? Aber dumm oder nicht, sie standen
ihm im Weg!
»Lauft weg, ihr Narren!« schrie Xar aufgebracht.
Der Herr in Schwarz ignorierte sowohl Xar als
auch die Menschen und ging unbeirrt auf Sang-drax zu, der Schritt für Schritt
vor ihm zurückwich, in Richtung des Tores.
»Tötet ihn, Gebieter!« zischte er.
Xar knirschte mit den Zähnen. Ein Zauber, der
den Drachen tötete, fegte auch die Nichtigen hinweg. Und er brauchte sie, um
seine Fragen zu beantworten.
Vielleicht, wenn sie den Drachen in seiner
wahren Gestalt erblickten, bekamen sie solche Angst, daß sie flohen.
Der Fürst zeichnete eine einzelne Rune in die
Luft, ein simpler Zauber, keine aggressive Magie. Das Sigel glühte rot und flog
durch die Luft auf den ganz in Schwarz gekleideten Herrn zu.
Im selben Moment packte dieser den winselnden
Sang-drax bei der Kehle. Das Sigel traf sie beide, hüllte sie ein, umzüngelte
sie mit magischen Flammen…
Ein riesiger flügelloser Drache mit leuchtenden,
grünen Schuppen, das Grün des Dschungels, in dem er lebte, reckte sich
turmhoch empor. Sein Widersacher war eine riesige, widerwärtige Schlange,
schleimbedeckt und behaftet mit dem Miasma der Verwesung. In dem dreieckigen
Haupt funkelte nur ein rotes Auge.
Xar war von der Verwandlung ebenso überrascht
wie die Nichtigen. Er kannte Haplos Schilderung seines Zusammentreffens mit
den Drachenschlangen auf Chelestra, aber nun begriff Xar den Widerwillen, den
Abschaum und die Furcht seines Vasallen vor diesen Kreaturen. Xar, Fürst des
Nexus, der im Labyrinth gegen unzählige Feinde gekämpft hatte, war erschüttert
und bestürzt.
Der Drache öffnete gewaltige Kiefer und schloß
sie um den Nacken der Schlange, genau unterhalb des zahnlosen Schädels. Der
Leib des gigantischen Reptils peitschte den Boden, wand sich um den Drachen und
suchte mit der ungeheuren Kraft ihrer Schlingen das Leben aus ihm
herauszupressen. Geifernd und kreischend vor Wut, rangen die Giganten
miteinander und drohten in ihrem Toben die Zitadelle zu zerstören. Die Erde
erbebte, das Tor dröhnte unter dem Anprall der gewaltigen Leiber. Wenn die
Mauern fielen, boten sie keinen Schutz mehr vor den Tytanen.
Statt die Flucht zu ergreifen, verharrten die
Nichtigen wie angewurzelt an derselben Stelle, gelähmt vor Angst und Grauen.
Xar konnte von seiner Magie keinen Gebrauch machen – entweder aus Furcht,
Sang-drax zu schaden, oder aus Furcht vor Sang-drax. Der Fürst war sich
über seine Beweggründe nicht im klaren, und seine Unsicherheit hinderte ihn
daran zu handeln.
Plötzlich waren die Kämpfenden verschwunden –
der Drache und die Schlange, in tödlicher Umschlingung einer des anderen
Verderben.
Die Nichtigen starrten verdutzt ins Leere. Xar
bemühte sich, seine verwirrten Gedanken zu ordnen. Ein alter Mann in
mausgrauen Gewändern schlurfte auf den Platz.
»Paß auf dich auf, du traurige Entschuldigung
für ein Reptil«, rief Zifnab und winkte bekümmert Lebewohl.
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Kapitel 26
Die Zitadelle,
Pryan
Xar stand vor einem Rätsel. Die beiden waren
fort, eindeutig fort. Er sandte seine Gedanken aus, um nach ihnen zu suchen,
im Todestor, auf
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