Irrwege
netter Ausflug. Vielen Dank
für…«
»Setz dich«, forderte Drugar sie auf und deutete
auf eine Bank. »Warte ab. Du hast noch nicht alles gesehen.«
»Gerne, aber ich glaube, wir sollten jetzt
umkehren. Paithan wird sich Sorgen machen…«
»Setz dich, bitte«, wiederholte Drugar und
runzelte die dicken Brauen. Er schaute zur Spitze des Turms hinauf. »Es ist
gleich soweit.«
Aleatha tippte mit der Fußspitze auf. Wie
gewöhnlich, wenn man ihr nicht den Willen tat, wurde sie ärgerlich. Sie
fixierte den Zwerg mit einem strengen, frostigen Blick, der unfehlbar einen
Mann auf das gebührende Maß zurechtstutzte, nur büßte er auf dem Weg ihre Nase
entlang nach unten einiges von seiner Wirkung ein. An Drugar war ihr
Mienenspiel ohnehin verschwendet, er hatte ihr den Rücken zugewandt und ging
auf eine Bank zu.
Aleatha warf einen letzten sehnsüchtigen Blick
auf den Pfad und folgte Drugar seufzend. Nachdem sie sich neben ihn gesetzt
hatte, rutschte sie hin und her, blickte immer wieder zu dem über die Hecken
hinausragenden Turm, scharrte mit den Füßen und ließ keinen Zweifel daran, daß
sie sich nicht amüsierte. Irgendwann mußt er doch begreifen.
Nein. Er saß ungerührt und schweigend da und
hielt den Blick auf die Mitte des Strahlenkranzes gerichtet.
Aleatha war beinahe gewillt, ihr Glück in dem
Labyrinth zu versuchen. Darin herumzuirren konnte nicht schlimmer sein, als
sich hier draußen zu Tode zu langweilen. Plötzlich strömte das helle Leuchten
aus dem Sternendom, das merkwürdige Summen setzte ein.
Ein Strahl grellen weißen Lichts fiel von der
Turmspitze auf das Mosaik.
Aleatha rang nach Luft, erhob sich langsam und
wäre rückwärts gegangen, nur stand die Bank hinter ihr. Sie stieß dagegen und
taumelte, Drugar hielt sie fest.
»Keine Angst.«
»Leute!« rief Aleatha ungläubig. »Da sind –
Leute!«
Die Bühne des Amphitheaters, eben noch
verlassen, war jetzt von heiterem Leben erfüllt. Nein – von Schatten. Diese
Gestalten waren nicht aus Fleisch und Blut wie sie und Drugar. Man konnte durch
sie hindurchsehen, zu den gegenüberliegenden Sitzreihen des Theaters, zu den
Heckenmauern des Irrgartens.
Ihre Knie gaben nach, sie setzte sich wieder hin
und beobachtete das Treiben. Die Leute standen in Gruppen beisammen,
unterhielten sich angeregt, wanderten umher, gesellten sich zu dieser Runde, zu
jener, wurden unsichtbar/sichtbar, wenn sie den Lichtkegel verließen/betraten.
Leute. Andere Leute. Menschen, Elfen, Zwerge –
die sich zusammenfanden und plauderten, offenbar freundschaftlich, ausgenommen
ein oder zwei Cliquen, die über etwas – nach Gesten und Mimik zu urteilen – zu
debattieren schienen.
Ein Kreis von Leuten, die sich nach Aleathas
Meinung nur zu einem Zweck hier versammelt haben konnten.
»Ein Fest!« rief sie freudig und sprang von der
Bank auf, um sich unter die Gesellschaft zu mischen.
»Nein! Warte! Halt! Nicht in das Licht gehen!«
Drugar hatte die Szene mit ehrfurchtsvoller Anteilnahme verfolgt. Bestürzt
versuchte er, Aleatha aufzuhalten, als sie an ihm vorbeilief.
Er griff daneben, und sie stand plötzlich mitten
in der Menge.
Ebensogut hätte sie in eine Nebelbank geraten
sein können.
Die Phantome schwebten um sich herum, durch sie
hindurch. Sie war ihnen so nahe und konnte sie doch nicht berühren. Mit
glänzenden Augen sahen die Feiernden sich gegenseitig an, aber niemand
bemerkte sie.
»Bitte! Ich bin hier!« flehte sie und streckte
beschwörend die Hände aus.
»Was tust du? Komm weg da!« kommandierte Drugar.
»Das ist ein heiliger Ort.«
»Ja!« rief sie, nicht an den Zwerg, sondern an
die Schatten gewandt. »Ich höre euch! Hört ihr mich nicht? Ich bin doch hier,
ganz nah!«
Niemand antwortete.
»Warum können sie mich nicht sehen? Warum sprechen
sie nicht mit mir?« Aleatha wirbelte zu Drugar herum.
»Sie sind nicht wirklich, deshalb«, antwortete
der Zwerg mürrisch.
Aleatha schaute wieder auf den Platz. Wenn sie
die Hand in den Weg eines der Schattenwesen hielt, glitten dessen Umrisse
darüber hinweg, und sie spürte nichts.
Plötzlich erlosch das Licht, und der Spuk war
vorbei.
»Oh!« hauchte Aleatha enttäuscht. »Was ist
geschehen? Wo sind sie hin?«
»Wenn das Licht ausgeht, gehen sie auch.«
»Und kommen sie mit dem Licht auch wieder?«
Drugar zuckte die Schultern. »Manchmal ja, manchmal
nein. Doch nachmittags um diese Zeit finde ich sie gewöhnlich hier.«
Aleatha
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