Irrwege
Spuren. Ich kann nie wieder
einer von ihnen sein.«
Er wartete, daß Marit etwas sagte, aber sie
schwieg beharrlich. Ihre ganze Haltung drückte eisige Abwehr aus.
Er stand auf und kehrte hinkend zu den anderen
zurück, um sich zu heilen – so gut wie möglich – und zu schlafen.
»Xar«, flehte Marit stumm, nachdem Haplo
gegangen war. »Mein Gemahl, Gebieter, ich brauche deinen Rat. Ich bin verwirrt.
Und allein. Ich kenne mein eigenes Volk nicht mehr. Ich bin eine Fremde hier.«
»Gibst du mir die Schuld daran?« fragte Xar
mild.
»Nein.« Marit warf den Stock ins Wasser und sah
zu, wie er davongetragen wurde. »Ich gebe Haplo die Schuld. Er hat den
Nichtigen hergebracht und den Sartan. Ihre Anwesenheit bringt uns alle in
Gefahr.«
»Ja, doch es könnte sich letztlich günstig für
uns auswirken. Du sagst, ihr befindet euch am Anfang des Labyrinths. Diese
Siedlung, zu der ihr unterwegs seid, muß nach deiner Beschreibung unglaublich
groß sein, viel größer als jedes andere Dorf, von dem ich weiß. Das paßt mir
gut. Ich habe einen Plan.«
»Ja, Gebieter.« Marit fühlte sich erleichtert,
ungeheuer erleichtert. Die Last wurde ihr von den Schultern genommen.
»Wenn ihr das Dorf erreicht, Frau, wirst du
folgendes tun…«
Es war inzwischen stockfinster, Haplo hatte Schwierigkeiten,
zu seinen Freunden zurückzufinden. Hugh Mordhand schaute hoffnungsvoll zu ihm
auf, eine Hoffnung, die erstarb, als er sah, daß Haplos Hände leer waren. »Ich
dachte, du wärst gegangen, um uns noch etwas zu essen zu holen.«
Haplo schüttelte den Kopf. »Mehr gibt es nicht.
Wir haben ein Sprichwort: ›Der Hungrige läuft am schnellsten.‹«
Der Assassine brummte und ging mißmutig zum
Bach, um seinen Magen mit Wasser zu füllen. Er bewegte sich leise, verstohlen,
wie es zu seinem Gewerbe gehörte. Marit hörte ihn offenbar nicht kommen, und
als er neben ihr auftauchte, zuckte sie heftig zusammen.
»Ein schuldbewußtes Zusammenzucken«, berichtete
Hugh Haplo später, als er den Vorfall schilderte. »Und ich hätte schwören
können, daß ich sie mit jemandem reden hörte.«
Haplo zuckte nur mit den Schultern, was konnte
er tun? Sie verbarg etwas vor ihm, dessen war er sicher. Er hätte ihr gern
vertraut, doch es ging nicht. Empfand sie ähnlich in bezug auf ihn? Wollte sie
ihm trauen? Konnte sie es nicht? Oder machte es ihr Freude, ihn zu
hassen?
Marit setzte sich in den Kreis der anderen
Patryn, den Wasserschlauch warf sie als Einstand in die Mitte. Vielleicht
wollte sie beweisen, daß wenigstens sie noch eins war mit ihrem Volk.
Kari blickte zu Haplo hinüber – auch er war
eingeladen. Doch er fühlte sich zu müde, zu zerschlagen. Seine Beine taten
weh, und die Kratzer im Gesicht brannten wie Feuer.
Er brauchte Zeit, um sich zu heilen, den Kreis
zu schließen – so gut wie möglich, denn der Kreis war zerbrochen, und das ließ
sich nicht ungeschehen machen.
Er scharrte eine Unterlage aus trockenen
Tannennadeln zusammen und legte sich hin. Hugh Mordhand kam und setzte sich
neben ihn.
»Ich übernehme die erste Wache«, erbot er sich
leise.
»Das läßt du schön bleiben«, sagte Haplo
bestimmt. »Es würde aussehen, als hätten wir kein Vertrauen zu ihnen. Leg dich
hin. Ruh dich aus. Du auch, Alfred.«
Hugh Mordhand schien erst aufbegehren zu wollen,
dann zuckte er mit den Schultern und streckte die Beine aus. Mit dem Rücken
lehnte er an einem Baumstamm. »Gibt es ein Gesetz, das sagt, ich muß schlafen?«
fragte er, kreuzte die Füße und nahm seine Pfeife heraus.
Haplo lächelte matt. »Achte nur darauf, daß es
nicht zu offensichtlich ist.« Er streichelte den Hund, der sich neben ihm
zusammengerollt hatte. Das Tier hob träge den Kopf, blinzelte und sank zurück
in seine Träume.
Mordhand steckte die Pfeife zwischen die Zähne.
»Keine Sorge. Wenn jemand fragt, werde ich
sagen, daß ich an Schlaflosigkeit leide. Ewiger Schlaflosigkeit.« Er bedachte
Alfred mit einem bezeichnenden Blick.
Der Sartan lief rot an, sein Gesicht glühte
förmlich im Feuerschein. Er hatte versucht, einen halbwegs bequemen
Schlafplatz zu finden, doch erst kam er mit dem Kopf unsanft auf einen in der
Erde verborgenen Stein zu liegen, dann schien er sich auf einen Ameisenhaufen
gebettet zu haben, denn plötzlich sprang er auf und schlug nach seinen Beinen.
»Hör auf!« befahl Haplo gereizt. »Du lenkst nur
die Aufmerksamkeit auf dich.«
Alfred setzte sich hastig wieder hin,
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