Irrwege
Gefahr«, schnitt Haplo ihm
barsch das Wort ab.
Alfred ließ fast das Brot fallen. Er schaute
sich furchtsam um, als rechnete er damit, Scharen von Tigermännern zwischen
den Bäumen hervorkommen zu sehen. Statt dessen sah er nur Hugh Mordhand, der –
nackt bis zur Hüfte – Kopf und Schultern in den reißenden Bach tauchte. Am Rand
der Lichtung standen Kari und ihre Leute abmarschbereit.
Kari winkte Haplo: Zeit zum Aufbruch. Er
winkte zurück, sie sollten vorausgehen. Kari runzelte mißbilligend die Stirn.
Es war nicht klug, sich zu trennen. Haplo wußte
das ebensogut, aber schließlich, dachte er freudlos, gehörte er ohnehin nicht
wirklich zu ihnen. Er lächelte beruhigend und hielt die Hand hoch.
Keine Sorge, wir kommen gleich nach. Kari
zuckte mit den Schultern und ging.
»Was soll das heißen, Gefahr? Ich verstehe das
nicht…« meinte Alfred.
»Du solltest zurückgehen.«
»Zurück wohin?« Alfred sah ihn ratlos an.
»In den Vortex. Hugh Mordhand wird dich
begleiten. Du könntest ihn nicht abschütteln, selbst wenn du wolltest. Mit ihm
hast du eine gute Chance, es zu schaffen. Die Tigermänner – falls sie noch in
der Gegend sind – werden uns verfolgen.«
»Aber der Vortex ist zerstört.«
»Nicht für dich, Sartan. Ich war Zeuge deiner
magischen Fähigkeiten! Du hast den König der Drachen-schlangen besiegt. Du
hast die Toten erweckt. Du hättest wahrscheinlich die Macht, die Trümmer von
dem verdammten Berg aufzusammeln und wieder zusammenzusetzen.«
»Aber…« Alfred raffte sich zu einem Protest auf.
»Du hast gesagt, ich soll von meiner Magie keinen Gebrauch machen. Du weißt
doch, was passiert ist…«
»Ich glaube, das Labyrinth wird dich unbehelligt
lassen, besonders, wenn es weiß, daß du gehst.«
Alfreds Wangen färbten sich zartrot. Den Kopf gesenkt,
schielte er Haplo von unten herauf an. »Du – du hast gesagt, du brauchst mich…«
»Lüge. Ich brauche niemanden. Was ich hier
vorhatte zu tun, war verrückt. Mein Kind ist längst tot. Gemordet von deinem
verfluchten Gefängnis. Scher dich weg, Sartan! Geh mir aus den Augen!«
»Nicht ›Sartan‹. Mein Name ist…«
»Sag nicht Alfred!« Haplo war plötzlich
fuchsteufelswild. »Das ist nicht dein Name! Alfred ist ein Nichtigenname, den
du angenommen hast, als dir einfiel, dich hinter der Maske eines Nichtigen zu
verstecken. Niemand kennt deinen richtigen Namen, weil es ein Sartanname ist,
und ein Sartan verrät seinen Namen nur jemandem, zu dem er bedingungsloses
Vertrauen hat. Du aber hast nie…«
»Coren.«
»Wie?« Haplo war aus dem Konzept gebracht.
»Mein Name ist Coren«, wiederholte Alfred
schlicht.
»Ich will verdammt sein.« Haplo kramte in seinem
geringen Schatz an Sartanworten. »Das bedeutet ›wählen‹, ›auswählen‹ oder
etwas ähnliches.«
Alfred lächelte schwach. »›Auserwählt.‹ Ich –
auserwählt. Grotesk, nicht wahr? Der Name bedeutet natürlich überhaupt
nichts. Jede Sartanfamilie nannte einen der Söhne Coren. Es sollte Glück
bringen. Jetzt verstehst du, weshalb ich dir nie meinen Namen verraten wollte.
Nicht deshalb, weil ich kein Vertrauen zu dir hatte. Ich wollte nicht, daß du
lachst.«
»Ich lache nicht.«
Alfred schaute wieder einmal auf seine
Schuhspitzen. »Kannst du ruhig. Es ist wirklich komisch.«
Hugh Mordhand kam vom Bach zurück, Hemd und
Weste in der Hand. Er blieb stehen und schaute sich fragend auf der verlassenen
Lichtung um, wahrscheinlich wunderte er sich, wo die anderen geblieben waren.
»Ich wette, du hast die Sache mit deinem Namen
gar nicht so vergnüglich gefunden, als du allein in deinem Mausoleum aufgewacht
bist«, bemerkte Haplo ruhig. Alfred wurde wieder rot, dann blaß. Das Brot fiel
ihm aus den Händen – zur dankbaren Freude des Hundes, der sich sofort darüber
hermachte. Mit einem abgrundtiefen Seufzer ließ der Sartan sich auf einen Baumstumpf
sinken.
»Du hast recht. Auserwählt. Auserwählt zu leben,
wenn jeder, den ich kannte, liebte, gestorben war. Warum? Wozu? Sie waren alle
so viel besser. Würdiger.« Alfred blickte auf, sein bleiches Gesicht war
verhärmt. Er ballte die zitternde Hand zur Faust. »Ich haßte meinen Namen. Ich haßte ihn. Es war eine Erleichterung, Alfred zu sein. Coren wollte ich
vergessen, für immer und ewig. Und ich hatte ihn vergessen – bis ich dir begegnete.«
Alfred seufzte wieder. Er lächelte traurig.
Haplo fing den Blick des Assassinen auf, gab ihm
mit den Augen
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