Irrwege
durchflutete die Ruine, tanzende Staubkörner funkelten wie Myriaden winziger
Juwelen.
»Wen interessiert das Wie?« Roland war unterwegs
zu einem der riesigen Löcher in der Wand. »Wir haben überlebt, das
genügt mir. Xar ist vermutlich hinter Aleatha her!«
Paithan und Rega halfen sich gegenseitig, über
die großen und kleinen Hügel hinwegzusteigen.
Bevor sie hinausgingen, warf Paithan einen Blick
zurück. Der runde Saal war zerstört. Wessen Stimmen dort auch gesprochen haben
mochten, sie waren auf ewig verstummt.
Die drei traten gerade rechtzeitig aus der
Öffnung, um einen gigantischen Feuerball am Himmel zerbersten zu sehen.
Erschreckt suchten sie Schutz in einem Hauseingang. Ein Dröhnen ließ die Erde
erbeben.
»Was ist das? Kannst du etwas erkennen?« fragte
Roland. »Siehst du Aleatha irgendwo? Ich gehe jetzt da raus.«
»Nein, tust du nicht!« Paithan hielt ihn an der
Schulter fest. »Ich mache mir genausoviel Sorgen um sie wie du. Sie ist meine
Schwester. Aber du hilfst ihr nicht, indem du dich umbringen läßt. Warte, bis
wir herausgefunden haben, was los ist.«
Roland, aschgrau im Gesicht und Schweißperlen
auf der Stirn, sah aus, als sei er nicht gewillt, auf die Stimme der Vernunft
zu hören.
»Der Drache kämpft mit Xar«, sagte Rega verängstigt.
»Ich glaube, du hast recht«, stimmte Paithan zu.
»Und wenn er Xar getötet hat, sind wahrscheinlich wir an der Reihe.«
»Unsere einzige Hoffnung ist, daß sie sich
gegenseitig umbringen.«
»Ich muß Aleatha suchen!« Roland stürmte davon.
»Roland! Bleib hier! Du darfst nicht…« Rega lief
hinter ihm her.
»Da ist Aleatha! Da drüben! Thea!« Paithan
winkte und schrie. »Thea! Wir sind hier oben!«
Er rannte die Treppe hinunter zur Straße.
Aleatha ging ein Stück vor ihm. Entweder hörte sie ihren Bruder nicht rufen
oder wollte ihn nicht hören. Sie blieb auch nicht stehen, als Roland mit seiner
kräftigeren Stimme Paithan unterstützte.
»Aleatha!« Roland überholte den Elf mit
Riesenschritten. Bei Aleatha angekommen, griff er nach ihrem Arm.
»Du bist verletzt!« stieß er hervor, als er das
Blut an ihrem Kleid bemerkte.
Aleatha schenkte ihm einen kalten Blick. »Laß
mich los.«
Sie sprach ruhig und mit solcher Autorität, daß
Roland verblüfft gehorchte. Daraufhin wandte sie sich von ihm ab und ging
weiter.
»Was ist los mit ihr? Wo will sie hin?« Paithan
blieb atemlos neben Roland stehen. »Das sieht man doch!« sagte Rega schnaufend.
»Zum Tor.«
»Und sie hat Drugars Amulett…«
Alle drei stürzten wie auf Kommando hinter
Aleatha her und umringten sie. »Thea«, sagte Paithan behutsam. »Thea, warte
doch. Sag uns, was passiert ist. Wo ist Drugar?«
Aleatha schaute ihn an, dann Roland, dann Rega.
Sie schien kaum zu wissen, wer diese Leute waren. »Dru-gar ist tot«, erklärte
sie mit brüchiger Stimme. »Er hat sich für mich geopfert.« Sie umklammerte das
Amulett.
»Thea, das tut mir leid. Es muß schrecklich für
dich gewesen sein. Aber komm jetzt mit. Zurück in die Zitadelle. Hier draußen
ist es zu gefährlich.«
Aleatha wich ihm aus. »Nein«, sagte sie mit
dieser sonderbaren, überlegenen Ruhe. »Nein, ich gehe nicht zurück. Ich
weiß, was ich tun muß. Drugar hat es mir gesagt. Sie sind wirklich, wißt ihr.
Ihre Stadt ist wirklich. Und sie haben wunderschöne Kleider.«
Sie setzte sich wieder in Bewegung. Nur noch die
Agora lag zwischen ihr und dem Stadttor. Der Sternendom sandte sein
geheimnisvolles Licht aus, das merkwürdige Summen vibrierte in der Luft.
Explosionen und berstendes Krachen ließen den Boden erzittern. Vor den Mauern
standen die Tytanen in hypnotischer Trance. »Thea!« rief Paithan verzweifelt.
Er, Rega und Roland stürmten hinter ihr her, um
sie festzuhalten.
Aleatha fuhr herum und streckte ihnen das
Amulett entgegen, wie sie es Drugar hatte tun sehen.
Die drei prallten zurück. Entweder wirkte die
Magie des Runenzeichens, oder es lag an Aleathas gebieterischer Haltung.
»Ihr versteht nicht«, sagte sie. »Dies alles ist
ein Mißverständnis gewesen. Drugar hat es mir erklärt. Die Tytanen werden uns
helfen.‹« Ihr Blick richtete sich auf das Tor. »Wir haben es nur einfach nicht
– verstanden.«
»Aleatha! Drugar hat schon einmal versucht, uns
zu töten!« Rega streckte beschwörend die Hände aus.
»Du darfst ihm nicht trauen! Er ist ein Zwerg!«
rief Paithan.
Aleatha schenkte beiden einen mitleidigen Blick,
dann
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