Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Irrwege

Titel: Irrwege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Weis , Tracy Hickman
Vom Netzwerk:
Gesicht des Zwergs.
    »Drugar?« Durch den Schleier der Tränen hindurch
konnte Aleatha ihn nicht genau erkennen. War der Zwerg wirklich? Oder
immer noch eine der Schattengestalten? Die Berührung seiner Hand hatte sich
angefühlt wie von einem lebenden Wesen.
    »Aleatha!« Drugars Miene verriet Besorgnis. »Was
ist los? Was ist geschehen?«
    »O Drugar!« Aleatha streckte die Hand aus und
strich zaghaft über seinen Arm. Es war der echte Drugar, aus Fleisch und Blut.
Sie klammerte sich mit ungeahnter Kraft an ihm fest und hätte ihn fast
umgerissen. »Du bist wieder hier! Warum hast du mich alleingelassen? Ich hatte
solche Angst! Und dann – dann Fürst Xar… Er… Hast du das gehört?«
    Drugar war nicht an hysterische Ausbrüche
gewöhnt, Zwerge sind niemals hysterisch. Er wußte, etwas Furchtbares war
geschehen, aber was? Um es herauszufinden, mußte er Aleatha beruhigen und
hatte keine Zeit, ihr zuzureden, wie er es eigentlich wollte. Im ersten Moment
war er ratlos, aber eine Erinnerung aus der Vergangenheit – neu belebt durch
sein jüngstes, unglaubliches Erlebnis – brachte ihm die Lösung.
    Zwergenkinder sind berüchtigt für ihren Trotz.
Ein kleiner Zwerg, der nicht seinen Willen bekommt, ist imstande, die Luft
anzuhalten, bis er blau anläuft und die Besinnung verliert. In einem solchen
Fall schütten die Eltern dem Kind Wasser ins Gesicht – unwillkürlich schnappt
es nach Luft, und der Bann ist erst einmal gebrochen.
    Drugar hatte kein Wasser, doch er hatte Bier,
mitgebracht zum Beweis, daß der Ort, an dem er gewesen war, nicht nur seiner
Phantasie entsprang. Er entkorkte die Tonflasche und schüttete das Bier Aleatha
ins Gesicht.
    Niemals in ihrem ganzen Leben hatte Aleatha eine
derartige Behandlung erfahren. Triefend und spuckend fand sie zu ihrem alten
Selbst zurück – einem empörten Selbst. Sämtliche Ängste und Schrecken wurden
hinweggespült von der übelriechenden braunen Flüssigkeit.
    Sie bebte vor Zorn. »Wie kannst du es wagen…«
    »Fürst Xar.« Drugar ging auf das einzig Konkrete
in ihrem Wortschwall ein. »Wo ist er? Was hat er getan?«
    Seine Worte brachten die Erinnerung zurück, und
erst fürchtete Drugar, er wäre zu weit gegangen. Aleatha begann am ganzen Leib
zu zittern. Der Zwerg hielt ihr die Tonflasche hin. »Trink«, befahl er. »Dann
sag mir, was geschehen ist.«
    Aleatha holte tief Atem. Sie verabscheute Bier,
trotzdem griff sie nach der Flasche und nahm einen Schluck. Es schmeckte
scheußlich, aber sie fühlte sich besser. Schluchzend und mit vielen
Abschweifungen erzählte sie Drugar alles, was sie gesehen und gehört hatte.
    Während Drugar zuhörte, strich er sich grimmig
über seinen Bart.
    »Sie sind bestimmt alle tot.« Aleatha schluckte
krampfhaft. »Xar hat sie ermordet, dann ist er hinter mir hergekommen.
Vielleicht ist er schon ganz nahe und sucht nach mir. Nach uns – er wollte
dauernd wissen, wo du bist.«
    »Tatsächlich?« Drugar tastete nach dem Amulett
an seinem Hals. »Es gibt eins, das wir tun können; einen Weg, ihm Einhalt zu
gebieten.«
    Aleatha schaute durch den Vorhang ihrer wirren
Haare hoffnungsvoll zu dem Zwerg auf. »Wie?«
    »Wir müssen das Tor öffnen und die Tytanen in
die Stadt lassen.«
    »Du bist verrückt!« Aleatha rückte von ihm ab.
    »Nein, ich bin nicht verrückt!« Drugar ergriff
ihre Hand.
    »Hör mir zu. Ich war auf dem Weg, es dir zu
sagen. Sieh dir das an!« Er hob die Tonflasche hoch. »Was glaubst du, woher ich
das habe?«
    Aleatha schüttelte stumm den Kopf.
    »Du hattest recht«, fuhr Drugar fort, »die
Schattengestalten sind wirklich. Wärst du nicht gewesen, hätte ich nie – hätte
ich nie…«
    Die Augen des Zwergs schimmerten feucht, er räusperte
sich und runzelte verlegen die Stirn. »Sie leben in einer anderen Zitadelle,
die genau ist wie diese hier. Ich war dort, ich habe es gesehen. Mein Volk,
dein Volk. Sogar Menschen. Sie leben in einer Stadt. Zusammen. In Frieden und
Eintracht. Sie leben!« wiederholte Drugar mit leuchtenden Augen. »Sie leben.
Ich bin nicht der letzte meiner Rasse.« Liebevoll betrachtete er die
Tonflasche. »Sie haben mir dies mitgegeben, um meine Worte zu beweisen.«
    »Eine andere Stadt.« Langsam begriff Aleatha.
»Du warst in einer anderen Stadt. Elfen und Menschen. Bier. Du hast Bier
mitgebracht. Schöne Kleider…« Mit zitternden Händen strich sie über ihre
Röcke, mit denen kein Staat mehr zu machen war. »Nimmst du mich

Weitere Kostenlose Bücher