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Irrwege

Titel: Irrwege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Weis , Tracy Hickman
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sehen und natürlich erkennen.
     
    Nach Sang-drax’ Informationen hielt Haplo sich
in der Stadt auf, die bei den Zwergen dieser Welt Wombe hieß, auf der Westseite
Drevlins. Marit hatte keine genaue Vorstellung von ihrer Position, glaubte
aber aus der Nähe von Terrel Fenn schließen zu können, daß sie dicht am Rand
des Kontinents gelandet war, möglicherweise nahe der Stelle, wohin man bei
seinem ersten Besuch Haplo gebracht hatte, um die Verletzungen auszukurieren,
die er sich bei seiner Havarie zugezogen hatte. 15
     
    Als sie einen Blick aus dem Bullauge warf,
erblickte Marit Teile von der wundersamen und berühmten Maschine, dem
Allüberall. Erstaunlich. Weder Haplos Schilderung noch die Erläuterungen ihres
Fürsten hatten sie auf etwas Ähnliches vorbereitet.
    Erbaut von den Sartan, um Arianus mit Wasser zu
versorgen sowie die anderen drei Welten mit Energie, glich das Allüberall einem
ungeheuren Kraken, der einen ganzen Kontinent umspannte.
    Monströs, bizarr, war die gigantische Maschine
ein Gebilde aus Gold und Silber, Messing und Stahl. Die verschiedenen Teile
hatten die Form von entweder menschlichen oder tierischen Körperteilen. Diese
metallenen Arme und Beine, Klauen und Pranken, Ohren und Augäpfel mochten vor
langer, langer Zeit ein erkennbares Ganzes ergeben haben. Aber die Maschine –
seit Jahrhunderten sich selbst überlassen – hatte sie zu alptraumhaften
Karikaturen zusammengefügt.
    Dampf entwich aus aufgesperrten menschlichen Mündern.
Riesige Vogelkrallen gruben sich in Koralit; zähnestarrende Raubtierkiefer
zermalmten Gesteinsbrocken und spien das Geröll aus. Wenigstens wäre das der
Fall gewesen, hätte die Maschine gearbeitet, aber seit einiger Zeit stand sie
aus unerfindlichen Gründen still. Mittlerweile hatte man allerdings die Ursache
herausgefunden – die Öffnung des Todestores. 16 Nichts sprach dagegen, daß die Zwerge die große Maschine wieder in Gang
setzten.
    Wenigstens hatte Sang-drax das berichtet. Marits
Aufgabe war es, die Wahrheit herauszufinden.
    Sie suchte mit Blicken den Horizont ab, gekrönt
von den kuriosen Silhouetten der Maschinenteile, die sich schwarz vor dem
wolkenverhangenen Himmel abzeichneten. Ihr Interesse galt allerdings nicht der
Maschine, sie wollte sehen, ob die Landung ihres Schiffes bemerkt worden war.
Die Runen schützten es zwar vor Entdeckung, außer durch ein kundiges Auge,
doch bestand immerhin die Möglichkeit, daß irgendein Nichtiger zufällig das
Schiff sah. Sie konnten es nicht beschädigen, auch das bewirkten die Runen,
aber die Vorstellung einer Horde von Nichtigen, die um ihr Schiff
herumsprangen, war ihr herzlich zuwider, ganz zu schweigen von der Tatsache,
daß Haplo möglicherweise etwas davon zu Ohren kam.
     
    Aber keine Armee von Zwergen schwärmte den
sturmgepeitschten Hang herunter. Das nächste Unwetter braute sich am Himmel
zusammen. Schon verdeckten regenschwere, düstere Wolken große Teile des Allüberall.
Von Haplo wußte Marit, daß die Zwerge bei Sturm nicht ins Freie gingen, also
war sie vorläufig sicher. Zufrieden fing sie an sich umzuziehen und legte die
Sartankleidung an, die sie von Abarrach mitgebracht hatte.
    »Wie halten diese Frauen das bloß aus?« fragte
sie sich mißvergnügt.
    Sie trug zum erstenmal in ihrem Leben ein Kleid 17 und empfand das enge Mieder mitsamt den weiten Röcken als beengend, lästig und
hinderlich. Verdrossen schaute sie an sich hinunter. Der Sartanstoff kratzte an
ihrer Haut, und auch wenn sie sich sagte, daß es nur Einbildung war, fühlte
sie sich zutiefst unbehaglich in der Kleidung eines Feindes. Eines toten
Feindes zudem. Sie beschloß, das Kleid auszuziehen.
    Dann aber rief sie sich energisch zur Ordnung.
Sie benahm sich kindisch, unvernünftig. Ihr Gemahl wäre nicht erfreut. Als sie
im Glas des Bullauges ihr Spiegelbild begutachtete, mußte sie zugeben, daß
diese Aufmachung die perfekte Tarnung war. Sie sah genauso aus wie die Frauen
der Nichtigen, von denen sie Darstellungen in den Büchern ihres Gemahls
gesehen hatte. Nicht einmal Haplo, sollte er sie durch Zufall zu Gesicht
bekommen, würde sie wiedererkennen.
    »Er würde mich auch anders kaum wiedererkennen«,
sagte sie zu sich, während sie mit staksenden Schritten auf und ab ging, um
sich an die langen Röcke zu gewöhnen, die sich um ihre Beine wickelten. »Wir
haben jeder zu viele Tore passiert seither.«
    Sie seufzte unwillkürlich, und ihr Mißtrauen
erwachte.

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