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Irrwege

Titel: Irrwege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Weis , Tracy Hickman
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Eroberung. Was sie empfand, war Mitleid – tiefes,
aufrichtiges Mitleid.
    Wenn Aleatha herzlos erschien, dann nur, weil
ihr Herz so oft verletzt worden war, daß sie es schließlich in einen Kasten
sperrte und den Schlüssel versteckte. Jeder, der ihr nahestand, hatte sie
verlassen – erst ihre Mutter, dann Callie, dann ihr Vater. Selbst dieser Einfaltspinsel
Durndrun, der ein Tropf gewesen war, aber ein liebenswerter Tropf, hatte es
fertiggebracht, sich von den Tytanen umbringen zu lassen.
    Und falls sie sich je zu Roland hingezogen
gefühlt hatte (Vergangenheitsform, Thea!), dann nur, weil er nie im geringsten
daran interessiert zu sein schien, den Schlüssel zu dem Kasten mit ihrem Herz
zu finden. Deswegen war das Spiel gefahrlos, ein Spaß. Meistens.
    Aber dies war kein Spiel. Nicht mit Drugar. Er
war einsam, so einsam wie sie selbst. Einsamer noch, denn sein Volk, jeder, den
er gekannt oder geliebt hatte, war tot, ermordet von den Tytanen. Er hatte
nichts und niemanden.
    Beschämung verdrängte das Mitleid. Zum erstenmal
in ihrem Leben war Aleatha um Worte verlegen. Sie brauchte ihm nicht zu sagen,
daß seine Liebe hoffnungslos war, das wußte er selbst. Sie hatte keine Angst,
er könne sie bedrängen – er würde nie wieder davon sprechen. Dieses eine Mal
war ein Versehen gewesen – sie traurig zu sehen hatte ihn aus der Reserve
gelockt. Einmal und niemals wieder. Sie konnte nichts tun, um ihm zu helfen.
    Das Schweigen wurde unbehaglich. Aleatha senkte
den Kopf, der Vorhang ihrer Haare verbarg ihn vor ihr, sie vor ihm. Sie begann,
kleine Löcher in den Spitzen-schal zu bohren.
    Drugar, hätte sie gerne gesagt, ich bin eine
gräßliche Person. Ich bin nichts wert. Du kennst mich nicht. Nicht wie ich
wirklich bin. Drinnen bin ich häßlich. Wirklich und wahrhaftig häßlich.
    »Drugar«, fing sie an und schluckte. »Ich bin…«
    »Was ist das?« grollte er plötzlich und wandte
horchend den Kopf.
    »Was ist was?« Sie sprang von der Bank auf. Das
Blut stieg ihr ins Gesicht. Ihr erster Gedanke war, daß Roland sich
angeschlichen und sie belauscht hatte. Dann wußte er… Wie furchtbar!
    »Das Geräusch«, sagte Drugar. Er runzelte die
Stirn. »Ein Summen. Hörst du es nicht?«
    Doch, sie hörte es. Ein summendes Geräusch, wie
der Zwerg gesagt hatte. Gar nicht unangenehm, eigentlich melodisch, beruhigend.
Es erinnerte sie an ihre Mutter, die ein Wiegenlied sang. Aleatha seufzte. Wer
immer das summte, bestimmt war es nicht Roland. Er hatte eine Stimme wie eine
Käsereibe.
    »Sonderbar«, meinte sie, strich den Rock glatt
und wischte sich über die Augen, um die letzten Tränenspuren zu beseitigen.
    »Ich glaube, wir sollten lieber gehen und
herauszufinden versuchen, woher es kommt.«
    »Ja.« Drugar hakte die Daumen in den Gürtel. Respektvoll
ließ er ihr den Vortritt, als wäre es Anmaßung, neben ihr zu gehen.
    Sie war gerührt von seiner Rücksichtnahme; am
Tor blieb sie stehen und drehte sich zu ihm herum.
    »Drugar«, sagte sie mit einem Lächeln, das nicht
im mindesten kokett war, sondern ein Gruß zwischen Einsamen, »bist du weit in
das Labyrinth hineingegangen?«
    »Ja.« Er wich ihrem Blick aus.
    »Ich möchte auch gerne einmal hinein. Würdest du
mich mitnehmen? Nur mich, keinen von den anderen«, fügte sie rasch hinzu, als
sie die steile Unmutsfalte zwischen seinen Brauen bemerkte.
    Er schaute prüfend zu ihr auf, ob sie es ehrlich
meinte. Seine Züge wurden weicher. »Ja, ich nehme dich mit«, sagte er. Ein
seltsames Funkeln trat in seine Augen. »Es gibt viel Merkwürdiges dort zu
sehen.«
    »Wirklich?« Sie vergaß das Summen. »Was?«
    Aber der Zwerg schüttelte nur den Kopf. »Bald beginnt
die Dunkelzeit«, meinte er. »Und du hast kein Licht. Du wirst den Rückweg nicht
finden. Heute ist es zu spät.«
    Er hielt ihr das Tor auf. Aleatha ging an ihm
vorbei, und Drugar schloß es hinter ihr, anschließend verbeugte er sich
linkisch und brummte etwas in seinen Bart, das Aleatha nicht verstehen konnte,
aber es hörte sich an wie ein Segensspruch. Dann wandte er sich ab und ging
davon.
    Aleatha spürte ein ungewohntes Fünkchen Wärme in
ihrem Herzen, das hinter Schloß und Riegel gefangen lag.
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Kapitel 22
Die Zitadelle,
Pryan
    Paithan stürmte zwei Stufen auf einmal die
Wendeltreppe zum Sternendom 30 hinauf. Er konnte sehen – und
hören –, daß sich mit seiner Sternenmaschine etwas veränderte (er betrachtete
sie als seine Maschine,

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