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Irsud

Irsud

Titel: Irsud Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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kann.”
    „Was?”
    Angetrieben von Zorn und zunehmender Enttäuschung zuckte Aleytys’ Geist vor, um die Wächterin zu berühren, da die unbewußte Konditionierung eines ganzen Lebens ihr bewußtes Wissen um die Vergeblichkeit des Versuchs überwältigte. Verbissen kämpfte sie darum, die Kontrolle wiederzugewinnen, während die Gestalt der schlaksigen, pferdegesichtigen Nayid verwischte, da ihr wilder Kampf gegen den Dämpfer alles bis auf den Aufruhr in ihrem Schädel überdeckte.
    Nach einigen Herzschlägen blinzelte sie langsam. Mit unsicherer Stimme, die Worte langsam und schwerfällig formuliert, wiederholte sie: „Ich will die Kipu sehen.”
    „Nicht zu dieser Zeit.” Die Wächterin streckte die Hand aus, um den Gobelin zwischen sie beide zu ziehen. „Die Kipu hält am Morgen keine öffentliche Audienz.”
    Aleytys stieß ihre Hand hoch, um die Hand der Nayid aufzuhalten. „Nein. Ich muß die Kipu sehen.”
    Mit ihrem schwachen, strengen Stirnrunzeln betrachtete die Wächterin Aleytys. Die Sekunden vergingen. Schließlich nickte sie, das schwächste Zucken ihres Schädels, wirbelte herum und schritt den Korridor entlang davon, wobei ihre Stiefel rasch über die glatten, blaugrünen Fliesen klickten. Aleytys atmete erleichtert auf, das Herz klopfte vor Anstrengung. Sie lief hinter der Nayid her, ihre nackten Füße setzten dem frischen militärischen Pochen ein fleischiges Schlappen entgegen.
    Der Korridor endete abrupt vor einem Türbogen ohne Vorhang.
    Während sich ihr Magen unter den Vorläufern der Panik zusammenzog, rannte Aleytys weiter und kam gerade noch rechtzeitig durch die Türöffnung, um einen polierten schwarzen Stiefel hinter der Mittelwandung des Treppenhauses nach oben verschwinden zu sehen.
    Die Treppe kroch als weißer Wurmgang rundherum nach oben, die Gipsdecke eine einzige Handspanne über den rötlichen Knollen an den stummeligen Fühlern der Nayid. Nach einem halben Dutzend Kehren, Stufen hinauftaumelnd, die für doppelt so lange Beine wie die ihren vorgesehen waren, zitterte Aleytys vor Ermüdung; ihr linkes Bein verkrampfte sich um die halb verheilte Wunde herum.
    Als sie endlich auf die scharlachroten Fliesen des Ganges im zweiten Stock hinausstolperte, hinkte sie schwer und keuchte wie ein kurzatmiges Pferd. Sie lehnte sich an die Wand und starrte finster auf die sich entfernende Nayid, die mechanisch davon-schritt, den geraden, dürren Körper kosmisch gleichgültig wiegend.
    Aleytys rieb sich abwesend den Oberschenkel, da sie das zukkende Zerren der Muskeln spürte. Seufzend hinkte sie so schnell sie konnte hinter der sich entfernenden Gestalt her.
    Zwei Wächterinnen, schwergewichtige, hartgesichtige Amazonen, die tiefrote Jacken trugen, standen auf beiden Seiten eines mit einem karmesinroten Gobelin behängten Portals. Die blaugrüne Wächterin hielt vor ihnen an, starr aufrecht, und brachte das stumpfe Ende ihrer Lanze mit einem hörbaren Stoß zu Boden. Sie wartete, bis die Ältere der Wächterinnen sprach.
    „Dein Begehr?” Kalte Blicke schnellten an der blauen Wächterin vorbei, ruhten für einen kurzen Moment auf Aleytys, die zu ihnen heranhinkte.
    „Die Parakhuzerim, um die Kipu zu sehen.”
    Die rote Wächterin runzelte die Stirn, wodurch sie die Kanten ihres scharfgeschnittenen Gesichts verstärkte. „Du hast um Audienz ersucht?”
    „Nein.” Die einzelne Silbe war bar jeden Ausdrucks. „Die Parakhuzerim hat es verlangt.”
    „Ich werde es vorbringen.” Die rote Wächterin schob den Gobelin zur Seite und trat zielstrebig durch den Türbogen.
    Aleytys blickte zu dem unbeweglichen Gesicht der blauen Wächterin auf, zuckte mit den Schultern und begab sich zu der Wand hinüber, um das Körpergewicht von den zitternden Beinen zu nehmen. Das rot in die weißen Wandfliesen eingebrannte Blumenmuster erstreckte sich in einem geringelten Wirrwarr von Blättern, Blüten und Ranken, das in einem feinen Filigran ständig in sich selbst zurückkehrte, wie der Hintergrund des Gobelins, der in dem Schlafgemach hing, in die Höhe und über den Türbogen. Sie zog ein Stück des Musters mit dem Finger nach, dann sah sie mit Verwunderung auf die zurückgebliebene Wache. Seltsam, dachte sie. Wie können solche … solche …
    Kreaturen wie sie eine derartige Zartheit von Linien hervorbringen?
    Die Wächterin kehrte zurück und hielt den Gobelin zur Seite.
    „Kommt”, sagte sie forsch. „Die Kipu will Euch sehen.”
    Hinter dem Gobelin war der Raum die Hälfte eines

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