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Irsud

Irsud

Titel: Irsud Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Ehrenwache herausmarschieren zu lassen, machte Aleytys den Rücken kerzengerade und schritt geziert einen halben Schritt vor der Kipu her zu ihrem Stuhl. Ohnmächtiger Zorn brodelte in ihr, sie kämpfte dagegen an, versuchte ihre Beherrschung aufrecht zu erhalten, während sie schweigend neben der dürren, unerträglich selbstgefälligen Kipu einhertrippelte; die Schritte der Wache kamen mit militärischer Gleichheit hinter ihnen: klick-klick-klack.
    „Gutes Mädchen, Leyta.”
    „Ruhig, Kind.”
    „Bleu es ihnen ein, Freyka.”
    Die drei Flüsterstimmen, Sopran, Alt, Baß, wehten durch ihren Kopf, machten sie kühl und ruhig, auf ein Doppelziel konzentriert: entkommen und vernichten. Entkommen. Vernichten.
    14
    Hiiri-Augen, dunkel, lebhaft, neugierig, forschend, Blicke, die ihnen in listiger Verschlagenheit folgten, Hiiri-Körper, die sich in heuchlerischer Demut vor der Nayid-Arroganz verneigten, blinder Arroganz, sich hinter Nayid-Rücken wieder aufrichteten, mit spöttischen, düsteren Blicken, die ihrer Unterwürfigkeit Hohn sprachen. Ein Gespinst von Haß und feuriger Wut bildete sich aus ihnen heraus, umhüllte die tauben, nichtsahnenden Körper der Nayids, überflutete Aleytys’ Verstand, bis sie hinter der harten Maske zitterte, die sie unsicher auf dem Gesicht behielt. Gehen automatisch glitten die Füße über die Fliesen, Meilen um Meilen von ockerfarbenen Tunnels, Vorratsräume, muffig von staubbedeckten Behältnissen, Namen, Namen, Namen, so viele Namen, Bubutt Lapashana Patret Mastitana-uzzin Shiru Nunnana Kurmat Alpapana Shikarun, die Namen glitten geschmeidig von der Zunge der Küchenmeisterin, bis ihr der Kopf schmerzte, ihr Herz hämmerte in dunklem Entsetzen, weil sie so tief unter der Erde war, eingeschlossen in schwach beleuchteten Räumen, dickwandigen Gefängnissen, sie litt, doch ihr Rückgrat versteifte sich des sardonischen Vergnügens wegen, das sich aus der drahtigen, arroganten Kipu heraus ergoß.
    Augen. Nayid-Augen, die sich auf sie richteten, neugierig, forschend, halb geschlossen, das Vibrieren von Entsetzen, und von der Kipu kalte Ruhe; sie wartete darauf, daß sie zerbrach, daß sie die Gewalt über das Spiel verlor, drängend, probierend, sie trieb sie bis an die Grenze der Belastbarkeit und weiter, von ihr keine Furcht, Belustigung, zynisch und grausam, die Katze, die mit der Maus spielt, sie dehnte die Illusion der Freiheit aus und wartete bis zum allerletzten Augenblick, um die mit rasiermesserscharfen Klauen bewehrte Pfote auf den Schwanz der fliehenden Maus zu knallen; hartnäckige, störrische Weigerung, sich zu ergeben. Es hielt ihren Rücken gerade und das steife, gekrümmte Lächeln auf ihr Gesicht geheftet.
    Eine massive Tür öffnete sich. Aleytys trat vornehm über die Schwelle. Einen halben Schritt hinter ihr, sagte die Küchenmeisterin mit vor Stolz gerötetem Hals: „Dies sind die Hadaa der Hiiri. Ihr seht, daß wir sie sicher verwahrt halten. Und von den Vorräten fern. Es ist für jede dieser kleinen Bestien ein Ding der Unmöglichkeit, hier hereinzugelangen.” Sie rümpfte die Nase, dumm, boshaft, verächtlich. „Was sie nicht stehlen, würden sie verderben. Wie Ratten. Zerstörungswütige Bestien ohne genug Verstand, um Eigentum zu respektieren. Ihr müßt wissen, drau
    ßen, in der Wildnis, sind sie Tiere. Keinerlei Sittlichkeitsgefühl.
    Paaren sich mit den eigenen Müttern, kein Zweifel.” Sie schüttelte sich. Aleytys konnte dies nicht sehen, fühlte jedoch das Schaudern hinter sich, den Haß und den hinterhältigen, unterdrückten Neid, der aus der Psyche der Küchenmeisterin hervorschmetterte. Harskari, hilf mir. Hilf mir. Ihre zitternden Knie wurden schwach, sie schrie nach Kraft, um das Trommelfeuer auf ihre Sinne aushalten zu können. Sie schloß für einen Sekundenbruchteil die Augen.
    „Ruhig, Kind.” Die tiefe Altstimme war gedehnt und freundlich, ergoß sich wie Honig über ihren verzweifelten Geist. „Sieh geradeaus. Du hattest keinen Anteil daran, diesen Horror zu schaffen, aber du wirst deinen Anteil daran haben, ihn zu beenden, wenn du weiterhin deine Pläne verfolgst.” Ein schwaches Kichern. „Diejenigen, von denen du den Huris noch nichts erzählt hast. Oder Burash. Halte dich an diesen Gedanken, meine Liebe.”
    „Ja.” Als sie dieses Wort zu den sich schließenden bernsteinfarbenen Augen zurückwarf, durchflutete sie Frohlocken. Sie stieg aus der Verzweiflung empor, inspizierte den feuchtkalten Keller mit seinen schmalen,

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