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Irsud

Irsud

Titel: Irsud Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Zähnen und weinte in ihrer Not, aber die Stimmen waren verschwunden, die Mühe vergeblich, gleichzeitig machte das Messer die Heilung in dem Augenblick unmöglich, in dem sie einsetzte. „Heraus!” schrie sie.
    Vielleicht eine Hand … Sie versuchte, eine Hand loszurei
    ßen, aber sie klebte am Fleisch fest, war gebunden von der Qual des Fleisches … Sie konnte keine Hand befreien … Nicht eine Hand … Eine Ewigkeit kroch zwischen zwei Atemzügen vorbei … Der Schlag des Lebens hämmerte immer langsamer in ihm …
    „Raus! Verdammt … ihr. Raus!” Sie schrie das bebende Messer an. „Geh raus aus ihm!”
    Das Messer glitt in langsamen Rucken aus der Wunde heraus, schwang dann in eine glatte Kurve, wurde gegen die nächstgelegene Wand geschleudert. Mit brennender Befriedigung betrachtete sie es kurz, stumpfsinnig, dann wandte sie sich wieder der schwachen Flamme zu, die sie in der gebrochenen Gestalt unter ihren Händen pflegte. Mit schmerzhafter Langsamkeit schloß sich die Wunde.
    Vor Erschöpfung bebend, ließ sie den Kraftstrom zu einem leisen Dahinsickern trocknen. Schwach fühlte sie ringsum, hinter sich, Stimmen. Hände zupften an ihren Schultern, aber sie ignorierte sie, machte endlich die Hände von dem verzweifelten Druck auf die blaßrosa Wundnarbe frei. Die Finger klebten aneinander, die Haut war von vertrocknetem Blut verkrustet. Sie bewegte die Finger, berührte das Wrack von Burashs graziösem Fühler, glättete die weichen, empfindlichen Fasern, die Sensorhärchen, die der Luft Wärme entzogen, mit denen er lebende Dinge in Dunkelheit oder Licht sah, oder besser: fühlte … Es muß qualvoll sein, dachte sie, dieses komplizierte Nervengewebe, der Schmerz … Sie glättete den Fühler, berührte ihn so zart wie nur möglich, war ein wenig eingeschüchtert durch die Zerbrechlichkeit unter ihren Fingern, dann ließ sie die Kraft wieder emporwallen, und als sie die Hände wegnahm, war der Fühler wieder ganz, noch von Blut verklebt, aber ganz … Sie streifte die Finger über seine Wange und lächelte ihm in die Augen, die sich in diesem Moment öffneten, die sie in den Hunderten von Facetten reflektierten, strahlend von stetem Lebenspuls, und für diesen kurzen Augenblick existierten nur er und sie in einem Universum, das ihnen ganz alleine gehörte, eine geschlossene runde goldene Kugel gemeinsamer Freude. Einen kurzen Augenblick lang.
    Aleytys erhob sich, taumelte; müde, verkrampfte Beine. Das Gesicht in Langeweile und Unverschämtheit geglättet, blickte sie sich in der Leichenhalle um, zu der ihr Schlafzimmer geworden war, angewidert vom ekelerregenden Geruch des gerinnenden Blutes. Die Nachtkriecher lagen zu einem Haufen vor der Wand aufgestapelt, zwei, vielleicht drei, strahlten schwaches Leben aus, die anderen waren steif und kalt im Tod. Rote Wächterinnen verlagerten ihr Gewicht nervös von einem Fuß auf den anderen, die entsetzten, schwarzen Blicke mieden sie konsequent, als könnten sie es nicht ertragen, sie anzusehen. Weitere waren draußen und durchstreiften den Garten.
    Aleytys ging langsam zum Bett hinüber und setzte sich, ihr Körper protestierte gegen die wilden Anstrengungen der letzten Stunde. Sie sah an sich hinunter. Rote Markierungen, die sich langsam purpurn verfärbten, zogen Streifen über die zarte, blasse Haut. Sie erkundete ihren Körper mit den Fingerspitzen, zuckte zusammen, als sie die Quetschungen berührte. Verschmiertes Blut, das die Haut wie eine adstringierende Maske zusammenzog und an Rippen und Gesäßbacken trocknete, Blut, das die verblassenden, rosa Narben der Wunden verbarg, sickerte auf die Beine, verfilzte das dichtgelockte, rotgoldene Dreieck ihres Schamhaares. Sie kämmte die Finger durch die wirre, verklumpte Masse von rotem Gold auf dem Kopf, zog angewidert die Nase kraus.
    Sie zog die zerknitterte Robe zu sich heran, stand auf, schritt stumm durch den Kreis der Wächterinnen und trat in den Garten hinaus.
    „Nun?” Sie ließ die kurze Silbe wie einen Stein in den Teich des Schweigens fallen.
    Die Kipu drehte sich zu ihr herum. „Sie sind über die Mauer gekommen”, sagte sie ruhig. „Dort wird ab jetzt patroulliert werden.” Sie ging an Aleytys vorbei und betrat wieder das Schlafzimmer, starrte Burash eigenartig an, der langsam auf die Füße kam, ließ die Blicke zu Aleytys zurückgleiten und dann weiter, zu der ernsten, grauhaarigen Gestalt hin, die das Weiß der Medizin trug und unmittelbar vor dem Türbogen im Raum stand. „Muß die

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