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Irsud

Irsud

Titel: Irsud Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Die Worte plätscherten wie Regen auf ihren Kopf herunter, kühl und ruhig. Sie bemerkte schließlich sein Schweigen. „Nach einem Jahr?“
    Er seufzte. „Sie zieht die Fühlerfäden ein und setzt sich wieder zusammen.“ Er wurde wieder still, dann begann er, schneller denn je zu sprechen, so daß ihr manche der Worte völlig entgingen. „Verändert sich … und gerät in Bewegung … schläft … eine Woche … verwandelt sich … Larve … lähmt den Wirt … frißt sich aus ihm heraus … Frißt gewaltig … verzehrt … Fleisch, Blut, Knochen … Verdoppelt stündlich ihre Größe … Halb ausgewachsen, wenn Wirtskörper verschwunden … Körper verändert sich grundlegend … wirft alte Haut ab … Kommt heraus … Junge Nayid-Königin … Gibt die Instinkt-Muster für das Leben eines intelligenten Wesens auf.“
    Aleytys wich zurück und starrte ihn an, ihre Zunge fuhr über trockene Lippen. Er streichelte ihr Gesicht mit Fingerspitzen wie Schmetterlingsflügel. „Nicht, Narami, denke nicht darüber nach. Ich habe dir gesagt, es würde dir nicht helfen. Du hast ein Jahr, ein ganzes Jahr. Es wird keinen Schmerz geben. Du wirst niemals auch nur den Hauch eines Schmerzes spüren.“ Er hielt ihren bebenden Körper in zärtlichen Armen, rieb seine Hände auf ihrem Rücken auf und ab, bis sich ihre kalte Haut erwärmte und die verknoteten Muskeln weich wurden. „Mach was du willst, Leyta. Verschwende deine Energie nicht damit zu bekämpfen, was du nicht ändern kannst. Es ist vorbei. Schlaf jetzt ein, meine zarte, zarte Narami, schlaf ein. Morgen wirst du dich stärker, klüger fühlen, morgen … morgen.“ Er hielt sie an sich geschmiegt, bis sie in einen schweren, erschöpften Schlaf versank.

 
4
     
    Aleytys schlurfte durch das duftende Gras, starrte zu der gelben Sonne hinauf, die einsam und fremd über der östlichen Mauer des umschlossenen Gartens hing. Jedesmal, wenn sie den fahlgelben Fleck auf der Blässe des blaugrünen Himmels sah, rüttelte er sie auf, sich an die unbegreifliche Entfernung zu erinnern, die sie von dem hoch in den Bergen liegenden Tal trennte, wo sie geboren war. Bei der uralten Lebenseiche angekommen, sprang sie auf den niedrigen, gebogenen Ast, der sich über den Bach krümmte, und lief darauf entlang zu einem anderen Ast, der in weitem Winkel an der höchsten Stelle des Bogens nach oben stieß.
    Sich mit einer Hand an diesem Ast festhaltend, ließ sie sich auf die rauhe Rinde hinunter, die Beine baumelten über dem Wasser; sie schüttelte das Haar aus, genoß das Gefühl, das die Morgenbrise verursachte, die über ihre Kopfhaut hinwegstrich. Sie strampelte mit den Füßen und beobachtete voller Vergnügen, wie sich der rosa Chiffon ihres Kleides aufbauschte und anmutig wieder legte.
    Unter den Füßen schimmerte das Wasser strahlend im langen, schräg einfallenden Licht der Sonne, während der Wasserzauber in das Mark ihrer Knochen einsank, besänftigte, heilte, stärkte. Sie streckte sich gegen den Nebenast aus, ihr Körper beruhigte sich, bis sie in einen verträumten Dunst hinübertrieb. Zum ersten Mal seit Tagen verschwand das Jucken aus ihrem Rücken, und ihr Kopf war frei von dem künstlich bewirkten Chaos.
    Schwach spürte sie eine Regung im Hintergrund ihres Schädels. „Ach, hallo da“, murmelte sie. In die Ruhe getaucht, die das Geschenk des Wassers war, akzeptierte sie das Vordringen, bereit, die Freude des Begleiters in ihrem Schädel zu erwarten. Nach der schwierigen und gefährlichen Zusammenarbeit auf Lamarchos spürte sie nicht mehr das Entsetzen und die Wut über ihre Besessenheit, unter der sie gelitten hatte, als der Begleiter sie zum ersten Mal berührt hatte. Nach einer Weile murmelte sie:
    „Wer bist du, der meinen Körper mit mir teilt?“
    Die Präsenz rührte sich wieder. Überraschung.
    Sie schwang einen Fuß hin und her. „Ich war beschäftigt auf Lamarchos. Keine Zeit, auf Erklärungen zu drängen. Jetzt scheint es, als hätte ich beträchtliche Muße.“
    Ein Kichern rieselte durch ihren Geist.
    „Also, wer bist du? Was bist du?“ Sie wischte das Haar aus den Augen. In ruhige Zufriedenheit versunken, sah sie das Wasser vorbeifließen.
    Gefühl der Hemmnis. Die Scheibe blitzte auf und verschwand.
    Sie wirbelte den Chiffon wieder auf, summte vor Freude über den rosigen Glanz. „Der Dämpfer. Mmmhh. Den muß ich irgendwie loswerden. Du bist meine Hoffnung, hier herauszukommen. Du hast gehört, was das Ei der Königin bedeutet?“
    Zustimmung

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