Irsud
ihren Kopf wölbte, schwankte langsam hin und her, als sich die vom Fluß heraufwehende Nachmittagsbrise über die Mauer wälzte und die oberen Zweige in Bewegung kitzelte, so daß die zerbrechlichen Schatten der Blätter in Spitzenmustern über ihren Schoß tanzten. Hinter ihr, auf der Mauerkrone, bewegten sich die stummen, schwarzen Gestalten der langsam ausschreitenden Wächterinnen hin und her, eine bedrückende Gemahnung an die Gefahr und ihre Gefangenschaft.
Die Kipu kam durch die Tür in den Garten heraus, die dunkle, auffällige Gestalt des Vertreters der Ffynch-Gesellschaft schritt hinter ihr her.
„Ihr erkennt unser Problem.“ Die Kipu blieb vor Aleytys stehen und bedachte ihre Konturen mit einer vielsagenden Geste.
„Hm.“ Seine Blicke glitten über die starr aufrechte Aleytys, dann wandte er sich wieder der Kipu zu. „Sie haben ihre Maße?“
„Welche braucht Ihr?“
Er lächelte plötzlich, seine Zähne schimmerten perlweiß in seinem dunklen Gesicht. Kleine rote Funken sprühten in seinen Augen. „Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich Maß nehmen.“
Die Kipu runzelte die Stirn. „Warum?“
„Wie Sie bereits sagten: Sie gehört eher meiner Spezies an. Ich weiß, wo ich das Band anlegen muß.“
Die Kipu drückte auf den Kommunikator an der Hüfte. Als eine Wächterin in der Türöffnung erschien, sagte sie knapp: „Ein Maßband.“
„Im, Rab’Kipu.“
Der Rep ging lässig zu Aleytys hinüber, während er auf die Rückkehr der Nayid wartete. „Kennen Sie mich noch?“ fragte er leise.
Sie blickte kühl zu ihm auf. „Sombala Isshi.“
„Amme?“
„Ich sagte: ‚gewissermaßen’.“
„Ich bin immer noch neugierig.“
Sie betrachtete ihn ruhig. „Nein, bist du nicht.“
„In Ordnung. Ich bin es nicht.“
Die Stimme der Kipu erklang hinter ihm. „Das Maßband.“
Isshi holte einen Block und einen Stift aus einer Tasche seiner karmesinroten und grünen Jacke. „Wenn Sie, bitte, dieses Ding ausziehen würden, das Sie da tragen?“
Aleytys schnaubte. Aber sie stand auf und ließ die Robe von den Schultern gleiten. Die Nachmittagsluft war kalt auf ihrer Haut. Sie fröstelte. „Beeil dich damit.“
„Strecken Sie Ihren Arm aus.“
Er legte das Band hier und dort über ihren Körper, ein Grinsen auf seinem Gesicht, nahm sich bei den Brust- und Hüftmaßen ganz besonders viel Zeit, leise kichernd, so daß Aleytys Lust bekam, ihm das Knie ins Gesicht zu rammen.
„Ich glaube, das sollte genügen.“ Sie trat zurück und zog die Robe wieder um ihren Körper. „Ein Vergnügen, Damiktana.“ Er stand auf und fegte den Sand von seinen Knien.
„Dürfte ich bitten, Damiktana?“ Die Kipu trat zurück.
Aleytys knotete den letzten Verschluß zu und stapfte an Isshi vorbei. Als sie in übertriebener Grazie an den beiden vorbeikam, hörte sie die Kipu mit dem Rep sprechen.
„Diese kleine Angelegenheit, deretwegen ich gestern nach Euch schickte?“
„Ja?“ Isshis Stimme war kühl, neugierig.
„Die Geflüchtete.“
„Ah. Ja. Wir haben ein Netz durch die Agora ausgelegt, ebenso in den umliegenden Kalybionta nahe dem Raumhafen. Wir werden sie wahrscheinlich heute noch haben.“
„Es gibt keine Möglichkeit, daß sie den Planeten verläßt?“
„Die einzigen Schiffe, die von dieser Welt starten, gehören der Ffynch-Gesellschaft. Nein, sie wird uns nicht durch die Maschen schlüpfen.“
„Gut.“
Aleytys blickte über die Schulter zurück. Sie lächelte der Kipu zu, trat dann zur Seite und wartete, daß sie herbeikam und den Gobelin für sie beiseite hielt. Als die Nayid an ihr vorbeischlenderte, ihre weiten Schritte mit Rücksicht auf Isshis kürzere Beine gemäßigt, murmelte Aleytys: „Ich habe deine Anspielung verstanden, Rab’Kipu.“
Die kurzen, stummelartigen Fühler der Kipu zuckten kurz, aber ihr Gesicht war ausdruckslos, als sie den Gobelin zur Seite zog und darauf wartete, daß Aleytys und Isshi eintraten.
In Asshruds Gemächern stoppte die Prozession kurz. Asshrud stand widerwillig auf und watschelte Aleytys entgegen, um sie zu begrüßen. „Iluaanana, mein Adann gehört Euch.“
Aleytys hob eine träge Hand als Bestätigung und verbeugte sich ihrerseits. Vo n irgendwo tief in ihr quoll ein Impuls unwiderstehlich empor, sie fühlte sich grausam und wild, fühlte einen Haß, der sie in einem anderen Teil ihres Ichs anwiderte, aber sie hatte keine Gewalt darüber. Sie wollte bloßstellen, verletzten, deshalb murmelte sie: „Mögen deine Liebhaber
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