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Irsud

Irsud

Titel: Irsud Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Schleppe der schlammdurchtränkten Robe und schritt ziellos im trüben Garten umher, gelegentlich fröstelte sie, wenn Klumpen eisigen Wassers von überschweren Blättern auf ihren Hals oder ihre Schultern herunterfielen. Hin und wieder rieb sie abwesend mit den Händen über ihre Hüften.
    Der Boden fühlte sich widerwärtig, wie Brei, unter den Füßen an. Sie zog sich auf den gebogenen Ast der Lebenseiche hoch und ließ sich an dem hochragenden Zweig nieder, die Blätter ringsum und über ihr tröpfelten voll Trauer, der kühle, grüne Eichenduft stark und irgendwie beruhigend.
    Ihre Hände waren wieder schmutzig: lockere Rindenfetzen, ein samtiger Schmier aus Moos und Schlamm und Sommerstaub, der sich in den Ritzen angesammelt hatte. Sie rieb die Handflächen an den Seiten, inspizierte sie und rieb sie wieder auf dem feuchten Stoff der Robe auf und ab.
    „Madar!“ Sie fühlte sich, als würde sie aus ihrer Haut kriechen; es gab keinen Platz mehr darin, an dem sie sich wohl fühlte. In einem letzten, verzweifelten Versuch, einen Bruchteil von Frieden zu erhaschen, ließ sie ihren Geist ziellos in einem absichtlich orientierungslosen Irrgartenmuster durch den Mahazh tanzen …
    „… ich klage Euch an!“ Die Kipu schnellte einen Finger in das Gesicht einer rasend wütenden Stadtkönigin. „Asshrud …“
    Ein stechender Schmerz in der Brust trieb sie von dort weg.
    … zu schwarzen Uniformjacken, die in anonymem, geistlosem Gleichschritt in einen weiträumigen Lift …
    … die untersetzte Küchenmeisterin, die vor Zorn knurrte, und eine vor ihr kauernde Hiiri-Gestalt, den Rücken unter den schwerfälligen Schlägen gekrümmt …
    … Gapp, die durch einen anonymen Raum schritt, zornig, gereizt, rücksichtslos warf sie sich herum …
    … ein Gleiter, der mit täuschender Zartheit auf das Dach herunterschwebte …
    … Burash, der mit gebeugten Schultern dasaß, die Fühler in Trübsinn gesenkt …
    … die Kipu, die sich zurücklehnte und inmitten eines Stimmen-Chaos lächelte …
    „Burash!“ Sie ruckte hoch, wäre beinahe vom Ast gefallen. Ein Schluchzer platzte aus ihr heraus, dann noch einer. Und noch einer. Sie streckte die wunden, zitternden, langen verätzten Hände aus. „Ich hätte ihn vorher finden können … wenn ich nur daran gedacht hätte … Ich hätte es nicht tun müssen … Ich hätte es nicht tun müssen … Ich hätte es nicht tun müssen …“ Während sie auf dem Ast vor und zurückschaukelte, lachte sie, schluchzte, schrie sie, lachte wieder mit heftigen Schluchzern, die sie durchfuhren. „Ich hätte es nicht tun müssen.“
    „Aleytys!“ Harskaris kühle, ungeduldige Stimme zerrte einen Herzschlag lang an ihr, versank dann im wirbelnden Meer von Entsetzen, das sie mit sich riß.
    „Aleytys.“ Die Stimme erklang wieder, fordernder, lauter. Sie war stechend, wiederholte sich immer wieder, bis sie antworten mußte.
    „Harskari.“ Ruhiger … ein wenig … Sie weinte noch immer, das Gesicht tränenüberströmt, verzerrt, anklagend. „Ich hätte es nicht tun müssen. Hätte ich nur daran gedacht …“
    „Ich weiß.“ Die Stimme war jetzt leise und sanft, sanft beruhigend, leistete Beistand, streichelte. „Komm, Kind, du wirst dir hier draußen eine Lungenentzündung holen. Was hältst du von einem heißen Bad?“
    Aleytys zuckte vor ihrer Berührung zurück. „Mich beschwichtigen! Hah! Du wußtest es, nicht wahr? Du wußtest, daß ich die beiden herausbekommen hätte, ohne Asshrud umbringen zu müssen.“
    „Was ich weiß, hat mit der Sache nichts zu tun. Du hast bekommen, worum du gebeten hast.“ Harskaris Stimme war kühl, schulmeisterhaft, distanziert. Dann, erschreckend, kicherte sie. „Ich war immer eine miserable Mutter. Komm, Leyta, steig aus dem Morast des Sichgehenlassens. Was getan ist … nun, ist getan. Bedauern ist die sinnloseste aller sinnlosen Emotionen, die wir Halbsapiens anzusammeln fertigbringen.“
    Aleytys keuchte. „Asshrud ist tot!“
    „So? Es ist erledigt. Vergiß es.“
    „Es war unnötig.“
    „War es das?“
    „Huh?“ Aleytys fuhr hoch und wäre fast aus dem Baum gefallen. Sie erwischte gerade noch den Ast, an den sie sich gelehnt hatte, und gewann ihr Gleichgewicht wieder. „Du weißt, daß ich sie hätte herausbekommen können.“
    „Krieche aus diesem Selbstmitleid heraus.“ Harskaris Alt vertiefte sich vor Verachtung. „Du suhlst dich in dieser weinerlichen Sentimentalität, bis du den Blick für die Realität

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