Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle
meinem guten Geschmack.
«Woher weißt du jetzt auch noch, dass ich einen guten Geschmack habe?», frage ich ihn beim Rausgehen.
«Weil ich die Taschen auch nicht super finde, sie sind sogar richtig grausam, aber ich muss die verkaufen.» Mohammed grinst. «Mein Onkel in Antalya bekommt jeden Monat eine Riesenladung. Er kann die nicht alle allein verkaufen, also muss ich ran. Aber sie sind echt der Renner, ich werd die immer los.»
Mohammed wünsche ich noch, dass es so bleibt, dann ziehe ich zufrieden weiter, denn ich hatte ja meinen Kaffee. Aber zu meinem vollkommenen Glück brauche ich noch einen Viagra-Tee. Das behauptet zumindest der kleine drahtige Händler an der nächsten Häuserecke. Er spricht natürlich auch fließend Deutsch.
«Wie heißt du, mein Freund? Alle nennen mich hier Ali, und mein Viagra-Tee hat Klasse. Du musst ihn regelmäßig trinken, morgens, mittags und abends. Aber dann bist du super Hengst, Tag und Nacht!»
«Mikka», erwidere ich, so oft habe ich meinen Namen noch nie in zwei Tagen ausgesprochen. «Aber sag mir, was kostet denn dieses Höllenpulver?»
«Kleine Tüte fünf Euro.»
Ali baut sich vor mir auf, mit all seinen 160 Zentimetern, und zeigt mir seine Manneskraft – an den Oberarmen. Da hat er wirklich was zu bieten. Und auch zwischen Nase und Mund prangt ein stolzes Symbol seiner Männlichkeit, ein perfekt gestylter Schnurrbart.
«Ali, du hättest besser Ringer werden sollen, griechisch-römisch oder so. Aber egal, jetzt sag mir ganz ehrlich, wie du dieses miese Pulver herstellst.»
Verschmitzt strahlt mich Ali an: «Ich hab Zucker und Farbstoff. Mit grünem Farbstoff mach ich Viagra-Tee. Mit rotem Farbstoff mach ich Gute-Laune-Tee, mit blauem Farbstoff mach ich Gute-Nacht-Tee. Und damit ich selbst nicht durcheinanderkomme, leg ich oben aufs Pulver einen Apfel oder eine Pflaume. Und schau hier, beim Viagra-Tee gibt’s einen fetten Plastikpenis. Geschäft ist Geschäft, mein Lieber. Die Mieten hier sind extrem hoch, da muss ich ein paar Zentner von dem Zeugs verkaufen, verstehst du?»
Ich verstehe. «Und welche Kunden stehen so auf den Viagra-Tee?»
«Die russischen Frauen sind ganz heiß drauf.» Das verstehe ich auch.
Für 50 Cents kaufe ich Ali ein Tütchen mit dem Gute-Nacht-Pulver ab. Fest nehme ich mir vor, mir fortan keine Ledergürtel, Polo-Hemden, Unterhosen oder Wasserpfeifen andrehen zu lassen, und auch keinen Döner. Und es gelingt mir auch.
Zurück im Hotel, verbringe ich meinen Nachmittag auf einer Strandliege. Auch ohne Alis Schlaftrunk kann ich gut schlafen. Am Abend zieht es mich wieder in die Altstadt, wieder zu meinem Freund mit dem guten Teegeschmack. In einer Ladenecke sitze ich bei ihm auf einem Hocker und informiere mich genauer darüber, wie er seine Wunderrezeptur russischen Frauen anpreist. Dabei redet Ali ein seltsames Russisch, zeigt immer wieder theatralisch auf seine wohlgeformten Oberarme und dann auch ziemlich eindeutig auf seine enge Hose. Wenn die Damen skeptisch bleiben, fährt er sein ultimatives Geschütz auf, erklärt er mir. «Ich sage denen: ‹Weißt du, ich trinke meinen Tee selbst morgens, mittags und abends. Und wenn du mir nicht glaubst, dann gehen wir jetzt zusammen nach oben, und da zeige ich dir, was mein Tee kann.›»
«Und ist den russischen Frauen deine Show nicht peinlich?», frage ich.
«Nicht die Spur.»
Ali scheint zu wissen, was Frauen wünschen. Zweimal muss er an diesem Abend nach oben. Würde ich länger bei ihm in die Lehre gehen, wer weiß …
Am nächsten Morgen werde ich abgeholt. Umzug in mein gebuchtes Hotel. Es heißt «Angora», hat drei schmucklose Stockwerke, einen Pool, der direkt an der Straße liegt, und verstaubte Oleanderbüsche am Eingang. Bei «Angora» denke ich an warme Unterwäsche aus dem Bio-Versandshop und bin guter Dinge. Da stört mich auch nicht, dass ich das Schlüsselloch meiner Zimmertür nicht finde, weil der Flur stockdunkel ist. Und es stört mich auch nicht, nachdem ich es gefunden habe und ich in meinem Zimmer bin, dass das Fenster nicht zu öffnen ist, weil eine Spiegelkommode davorsteht, und die Klimaanlage in ihrem ersten Leben ein Presslufthammer gewesen sein muss. Ein ganz klein bisschen stört mich, dass ein schreckliches Braun der dominierende Farbton im Zimmer ist. Der Malermeister hatte vermutlich keine klaren Vorgaben erhalten, da hat er sich wohl an der Klobürste orientiert. Aber Hut ab, den Farbton hat er perfekt getroffen. Extrem stört mich, dass ich
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