Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle
ihn gewärmt. Er war vollkommen ruhig. Und dann hat er plötzlich aufgehört zu atmen.»
Ich war im ersten Moment überfordert, tausend Fragen rasten mir durch den Kopf. Sollte ich die gesamte Tour abbrechen? Wen musste ich als Erstes informieren? Hätte ich Karl schon von Java aus nach Hause fliegen lassen müssen? Warum hatte der Hotelarzt den Ernst der Lage nicht erkannt? Was sollte ich jetzt bloß mit Susanne machen? Ich war ihr unendlich dankbar, dass sie in dieser für sie so schlimmen Situation nicht zusammenbrach. Ich ging zu ihr und nahm sie in den Arm. Dann setzten wir uns auf die Bettkante, neben uns der tote Karl. Susanne hatte ihm schon vor meinem Kommen die Augen geschlossen. Die Stille in dem Raum war schrecklich.
Schließlich ließ ich Susanne im Zimmer zurück und sagte, dass ich das Hotel benachrichtigen müsse. An der Rezeption brach Chaos aus, als ich den Tod in Zimmer Nr. 7013 bekannt gab.
«Woher wissen Sie, dass der Herr tot ist?», fragte der Rezeptionist.
«Ich war gerade in seinem Zimmer und habe ihn gesehen und mit seiner Frau gesprochen, die dabei war, als er verstarb», entgegnete ich.
«Wer sind Sie denn überhaupt?»
«Ich bin … ich war der Reiseleiter des Toten.»
«Dann möchte ich Sie bitten, die Zimmerrechnung des Herrn zu begleichen.»
«Die Zimmerrechnung werde ich frühestens begleichen, wenn ich persönlich das Hotel verlasse. Ich hoffe, wir verstehen uns.» Unglaublich: kein Beileid, keine Anteilnahme. Stattdessen wollte man mir die Zimmerrechnung für 7013 präsentieren.
Hinter der Rezeption hatte sich inzwischen die halbe Nachtschicht des Hotels versammelt. Der diensthabende Front Office Manager musste sich einige böse Worte von mir anhören, dann ließ ich den Generalmanager aus dem Bett klingeln und ihm auftragen, einen Bestatter zu organisieren. Das funktionierte schnell und reibungslos. In einem Urlaubshotel auf Bali ist ein toter Tourist einfach keine gute Werbung. Man wollte ganz offensichtlich die Leiche aus dem Hotel bringen, solange noch Nachtruhe herrschte.
Susanne hatte sich in der Zwischenzeit von Karl verabschiedet, denn als ich mit dem Bestatter und seinen Gehilfen ins Zimmer trat, wirkte sie gefasst, aber auch betäubt und abwesend. Karl wurde auf eine Bahre gelegt und durch die Lobby ins Auto getragen. Es war mittlerweile zwei Uhr morgens. Der Bestatter gab mir seine Visitenkarte, und der Hotelmanager sicherte mir zu, dass die Zimmerrechnung kein Problem mehr darstellen würde.
Zusammen ging ich nun mit Susanne an den Hotelpool. Sie hatte sich angezogen, als müsste sie sofort die Rückreise antreten. Schwarzer Rock, weiße Leinenjacke, elegante schwarze Pumps, so saß sie vor mir. Viele Minuten sagten wir nichts, dann brach sie das Schweigen. «Weißt du, ich wusste ja, wie krank Karl war. Und mir war klar, dass er eigentlich gar nicht hätte fliegen dürfen. Aber er wollte diese Tour auf jeden Fall machen. Als hätte er geahnt, dass es seine letzte Reise sein würde.»
Was sollte ich sagen? Mir tat Susanne unendlich leid. Immer wieder musste ich mit den Tränen kämpfen, wenn sie von ihrem Mann erzählte. Als der Morgen dämmerte, traute ich mich, die entscheidende Frage zu stellen: «Susanne, was machen wir mit Karl? Was soll ich unternehmen?»
Ich bekam eine klare Antwort: «Den gebuchten Flieger heute Nachmittag nach Frankfurt will ich auf gar keinen Fall stornieren, und ich möchte Karl hier vor Ort einäschern lassen und ihn in einer Urne mit nach Hause nehmen.»
Von anderen Reiseleitern wusste ich, wie schwierig es war, einem solchen Wunsch nachzukommen. Oftmals dauerte es Wochen, bis die offiziellen Stellen eine Leiche freigaben. Aber aus eigener Erfahrung war mir auch bekannt, dass man immer nachhelfen konnte: mit Bargeld.
Mit meiner Reisekasse und Susannes Barvermögen machte ich mich um acht Uhr daran, ihren Wunsch zu erfüllen. Nebst vielen anderen Telefonaten musste ich vor allem die Österreichische Botschaft in Jakarta kontaktieren. Ich brauchte ja eine offizielle Freigabe der Leiche und eine Genehmigung für die Einäscherung.
Parallel überlegte ich: Wo finde ich innerhalb der nächsten Stunden einen Leichenverbrenner? Gab es auf Bali überhaupt einen solchen Menschen? Ja, es gab ihn. Der Bestatter, der Karl abgeholt und mir seine Visitenkarte hinterlassen hatte, nannte mir am Telefon einen Kollegen, der die offizielle Erlaubnis besaß, Ausländer, die auf der Insel starben, einzuäschern. Er rief ihn sofort in meinem
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