Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle
Namen an und bestellte ihn zu mir. Ich kam sofort zur Sache, als wir uns um halb neun im Hotel trafen: «Ich brauche von Ihnen einen Sarg und ein paar Blumen. Dann müssen Sie die Leiche zur Verbrennungsstätte bringen, das Verbrennen der Leiche organisieren und eine Urne bereitstellen. Schaffen Sie das bis zum Mittag?»
«Wenn die Papiere da sind – klar», erwiderte der smarte Typ, der kaum älter als vierzig war. «Aber das wird nicht billig. 1000 US-Dollar müssen Sie mir dafür geben. In bar. Ich habe Extrakosten, weil es so schnell gehen soll.» Das war eine Anspielung auf Bestechungsgelder. Ich gab ihm die geforderten 1000 Dollar.
Punkt neun erreichte ich das Österreichische Konsulat. Ich erklärte kurz, worum es ging. Man war erstaunlich kooperativ, wohl deshalb, weil bei einer schnellen Lösung auch die Botschaft weniger Probleme haben würde. Und weil ich vermutlich den Eindruck vermittelte, Herr der Situation zu sein. Der verantwortliche Konsul sagte nur: «Ich gehe davon aus, dass die Witwe das alles genauso will.» Ich bestätigte ihm das. Zum Schluss gab er mir noch zu verstehen, dass ich von den lokalen Behörden noch eine Sterbeurkunde bräuchte, mit ihr könnte ich dann den offiziellen Totenschein erhalten.
Mit dem Hotelarzt fuhr ich nun zur Leichenhalle. Er entschuldigte sich vielmals, meinte, er hätte wohl Karls Zustand falsch eingeschätzt. Immerhin war er durch sein schlechtes Gewissen sehr kooperativ. Nachdem er die Leiche untersucht hatte, stellte er die Sterbeurkunde aus, die der örtliche Polizeichef noch beglaubigen musste. Diese Angelegenheit kostete 500 Dollar, ohne Beleg, versteht sich. Zurück im Hotel, faxte ich das Papier nach Jakarta, zur Österreichischen Botschaft. Unverzüglich erhielt ich es zurück, mit der Freigabe der Leiche. Um zehn Uhr stand ich mit dem Totenschein vor Susanne. Sie hatte sich ins Halbdunkel unter einen Bambusbusch gesetzt, ihre Sachen fertig gepackt. Am Pool war es ihr zu laut geworden, der normale Badebetrieb war losgegangen. Sie wollte nur weg von der Insel – und ihren Karl mitnehmen.
Die vorherrschende Religion auf Bali ist der Hinduismus. Totenverbrennungen sind auf der Insel normalerweise ein großes Fest, zu dem das ganze Dorf eingeladen wird und bei dem auch Touristen willkommen sind. Nur darf ein Toter frühestens nach zweiundvierzig Tagen verbrannt werden. Oftmals werden Leichen jahrelang in der Erde zwischengelagert, bis die Familie das Geld für eine standesgemäße Verbrennung zusammen hat, mit prunkvollen Wagen, die an die Prinzenwagen im Kölner Karneval erinnern. Tränen sieht man bei einer solchen Feier nicht, das Feuer erlöst die Seele und lässt sie ihre Reise in himmlische Gefilde oder wohin auch immer antreten – und das ist eben nicht traurig, sondern schön. Nun sollte unsere Totenverbrennung innerhalb von zwölf Stunden erfolgen, ohne Fest, ohne Freunde, ohne Familie.
Um elf fuhr ich mit Susanne zum Bestatter. Wir holten Karl aus der Kühlkammer. Damit war für den Bestatter sein Job erledigt. Wir warteten auf den Leichenverbrenner. Er kam mit einem Minibus und zwei Kränzen aus Papierblumen. Die nächste Station war der Verbrennungsplatz, der mehr wie eine Mülldeponie aussah. Ich handelte wie in Trance und setzte Susanne unter einen Baum auf den Boden. Viel bekam sie nicht mit.
Zwanzig Meter entfernt stand ein weiterer Baum. Er sah abgestorben aus, und in seiner müden Krone hing ein rostiges Kerosinfass. Aus diesem liefen zwei dünne Schläuche in zwei kleine Brenner, die an den Kopfseiten eines Eisengestells am Boden angebracht waren. Dann ging alles ganz schnell. Herr Parenrengi, der Leichenverbrenner, und ich stellten den Sarg auf das Gestell, die Papierkränze legten wir obendrauf. Danach warf er die Brenner an, und ich setzte mich zu Susanne.
Gesprochen haben wir nicht, die Szenerie war einfach zu irreal. Um uns herum waren spielende und schreiende Kinder, einige verlauste Straßenköter. Die Leiche brannte nun lichterloh.
Es wurde ein Uhr, die Zeit lief uns davon. Susanne saß wie in Stein gemeißelt auf ihrer Baumwurzel und starrte ins Leere, Tränen liefen ihr übers Gesicht. Ins Feuer hat sie nie geschaut. Schließlich legte ich den Arm um sie und sagte: «Du musst jetzt zum Flughafen. Das Taxi steht bereit.» Ich war wieder der Reiseleiter, der diese wahnsinnige Aktion erfolgreich abschließen musste, der wollte, dass Susanne nicht mehr länger an diesem Ort blieb. «Ich komme nach, mit der Urne, ganz
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