Isabellas Unterwerfung
nur zu schnell aufgestanden.“
Doch Jesse warf einen Blick auf ihren Schreibtisch. Eine angefangene Flasche Wasser stand neben einem vollen Glas, und von ihrem Butterhörnchen fehlte nur ein Bissen. „Ist das alles, was du heute gegessen und getrunken hast?“
Überrascht sah sie auf. Jesses Stimme klang hart, bestimmend. „Ich hab keinen Hunger“, sagte sie trotzig und nippte an ihrem Wasserglas. „Du weißt genau, dass ich nicht viel esse, wenn wir in der Planungsphase sind. Ich bekomme nichts runter, wenn ich aufgeregt bin.“
Jesse schüttelte den Kopf. Sie sah blass aus und dünn und erschöpft. Sollte Simon die Ausstellung absagen, würde Isabella zusammenbrechen. Sie machte den Eindruck, als müsste sie ihre letzten Kraftreserven mobilisieren, um die Vernissage auf die Beine zu stellen. Dabei sollte es ihr besser gehen. Lucian trug sie auf Händen, und Jesse wusste, dass er die Nächte im Penthouse verbrachte, um sich die lange Fahrt in die Harbor Hills zu ersparen. Jesse musste schmunzeln, als er Isabella beim Telefonieren beobachtete. Sie war fünf Wochen mit Lucian zusammen, doch manchmal wirkten sie wie ein altes Ehepaar. Jesse konnte sich nicht mehr vorstellen, wie es vorher war. Isabella war aufgeblüht, ja, fast liebenswert geworden, nicht nur für Menschen, die sie näher kannten. Es hatte ihm die Sprache verschlagen, als er erfahren hatte, dass Isabella eines von den kleineren Bildern an Benni Duttly geschickt hatte. Ein Geschenk und vielen Dank für die Idee , hatte auf der beiliegenden Karte gestanden. Die Welt stand Kopf und Jesse mittendrin, und er war froh, dass er das alles miterleben durfte.
„Mr. Kallings, Sie haben mir einen anderen Preis genannt. Immerhin werde ich die Aufbauten fast ein halbes Jahr benötigen. Sie haben also Arbeitsstunden, Lohnkosten und Transport gespart. Ich dachte, Sie wollen auch demnächst noch mit uns zusammenarbeiten?“
„Sie ruinieren mich, Isabella. Nun gut. Ich komme Ihnen mit fünfzehn Prozent entgegen. Können wir uns einigen?“
„Ich überweise die Summe in den nächsten Stunden. Es war mir ein Vergnügen.“
Kallings lachte. „Ich möchte Sie nicht zu meinen Feinden zählen. Meine Männer werden in zwei Tagen bei Ihnen sein.“
„Gut. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.“ Isabella legte auf und atmete tief aus.
„Dir ist schon klar, dass sein erstes Angebot nicht schlecht war?“
„Jetzt ist es besser. Wir haben nichts zu verschenken. Hast du von Simon gehört?“ Jesse schüttelte den Kopf.
„Verdammt! Wo steckt der Kerl bloß?“
Simon hatte sich seit drei Tagen nicht gemeldet. Der Rummel um ihn war ihm zu viel, doch Isabella ließ nicht locker. Das Geschäft war zu gut, das konnte sie sich nicht durch die Lappen gehen lassen. Gedankenversunken klopfte sie mit ihrem Kugelschreiber gegen ihre Unterlippe, als Jesse sich vor ihr in Pose stellte. Eine Hand setzte er auf seine Hüfte, und den anderen Arm stellte er wie ein ägyptisches Relief neben seinem Kopf auf und spreizte die Hand ab. Dann schob er theatralisch die Hüfte zur Seite. Isabella wusste schon, was jetzt kam. Jesse äffte näselnd Jean-Lucs Stimme nach. „Du sollst deinen Schneider dringend zurückrufen. Er braucht noch mindestens zwei Anprobe-Termine. Also, hopp, hopp.“
„Warum magst du ihn nicht? Das werde ich nie verstehen.“
Jesse wurde ernst und stellte sich wieder gerade hin. „Weil er ein arroganter Snob ist.“ Abrupt drehte er sich um und ging mit schwingenden Hüften zu seinem Schreibtisch. Isabella lachte wieder, packte dabei die Unterlagen für die Überweisung an Kallings in ihre Tasche. „Ich geh zur Bank und dann fahre ich zu Simon. Das kann er mir nicht antun. Das ist unprofessionell.“ Isabella ging genervt zur Tür. „Ich weiß nicht, wann ich zurück bin. Hau einfach ab, wenn du fertig bist. Wir sehen uns morgen.“ Und schon war sie verschwunden.
Isabella konnte wirklich miese Laune entwickeln, wenn sie gestresst war. Allerdings war es lange nicht mehr so schlimm wie früher. Und immerhin hatte er sie für ein paar Minuten zum Lachen gebracht. Jesse erledigte den letzten Schreibkram und rief Damian an. Ein freier Nachmittag war doch mal was Schönes.
Als Isabella aus der Bank trat, stieß sie mit einem kleinen Mädchen zusammen. Blitzartig beugte Isabella sich herab und hielt sie fest, damit sie nicht stürzte. Die Kleine hatte strahlend blaue Augen und lange blonde Engelslocken. „Ups! Entschuldigung, Ma‘am.“ Das
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