Isabelle
den ganzen Hickhack zu ignorieren, seiner Frau ihren Willen zu lassen und seine eigenen Wege zu gehen.
Der BMW stand auf dem reservierten Direktorenparkplatz, markiert durch das Kennzeichen auf einem kleinen Pfahl vor den sorgfältig gepflegten niedrigen Parksträuchern. Ben warf einen Blick um sich, während er den Wagen aufschloss. Wie schon vor zwei Wochen hatte er wieder das seltsame und unbestimmte Gefühl, beobachtet zu werden.
Links ab, rechts ab, dachte er, als er die Vorfahrtstraße erreichte und vor dem Stoppschild hielt. Dies waren die kleinen Entscheidungen, die alles verändern konnten, die einen hierhin bringen konnten oder dahin, vielleicht auch irgendwann an einen Ort, an den man besser nicht gelangt wäre, weil dort das ganze Leben durcheinander geriet.
2
Im Restaurant war jetzt viel mehr Betrieb. Zur Straße hin saßen bereits Gäste beim Essen, und Gabriel Fauré wurde vom lautstarken Reden und Lachen einer lärmenden Gruppe Bier trinkender junger Deutscher übertönt, die wahrscheinlich zu dem Kleinbus mit deutschem Kennzei chen gehörten, den er draußen auf dem Parkplatz hatte stehen sehen. Auf der Seite zu den Weiden hin war es ruhiger. Zwei junge Frauen und ein junger Mann bedien ten.
Die Serviererin mit den blonden Locken kam zu ihm, um die Bestellung aufzunehmen.
»Bringen Sie mir bitte einen Kaffee«, sagte er. »Ist Ihre Kollegin schon weg?«
Sie schaute ihn neugierig an. »Welche Kollegin denn?«
Er lächelte nervös. »Die junge Frau mit der Musik.«
»Ach so, Isabelle.« Die Serviererin schaute sich um. »Nein, sie muss hier irgendwo sein. Möchten Sie sie spre chen?«
»Nein, ich dachte nur … sie hat doch heute Morgen hier bedient.« Er biss sich wegen seiner eigenen Dumm heit auf die Lippen; natürlich hatte sie heute Morgen hier bedient.
Letty warf ihm einen eigenartigen Blick zu und nahm Kurs auf den erhobenen Finger eines Gastes auf halbem Weg zum Tresen. Als sie sich umsah, saß der Mann mit dem Rücken zum Restaurant und schaute hinaus auf das Weideland.
Isabelle kam mit einem Tagesgericht für einen Tisch an der Straßenseite aus der Küche. Als sie zurückkehrte, hielt Letty ein kleines Kaffeetablett für sie bereit.
»Bring du’s ihm«, spottete Letty. »Tisch sechzehn. Er hat extra nach dir gefragt.«
Isabelle blickte hinüber. Sie erkannte den Rücken des Mannes wieder und spürte, dass sie rot wurde.
Letty sah es und kicherte. Die jungen Deutschen winkten nach Bedienung, und sie nickte zum Zeichen, dass sie käme. »Die junge Frau mit der Musik«, flüsterte sie schnell. »Er trägt allerdings einen Ehering.«
»Na und?«
»Ich meine ja nur.« Letty machte sich auf den Weg zu den Deutschen. Gerda kam mit einem Tablett voller leerer Teller und Gläser. Isabelle riss sich zusammen und nahm das Kaffeetablett.
Der Mann sah auf, als sie neben ihm stehen blieb. Sein Gesichtsausdruck erhellte sich, als sei er froh, sie zu sehen. Isabelle stellte den Kaffee ab. Er trug noch denselben blauen Anzug und dazu die goldene Krawattennadel.
»Bitte schön«, sagte sie.
»Sie haben viel zu tun«, meinte er.
»So ist es immer um diese Zeit. Aber wir sind jetzt auch zu mehreren.«
»Daran hätte ich denken sollen«, meinte er. »Dass es jetzt wohl nicht so gut passt.«
Dass was nicht so gut passt?, dachte sie, antwortete aber: »Macht doch nichts.«
Er blickte um sich. »Ich hätte mich gern ein bisschen mit Ihnen unterhalten, aber vielleicht wäre es heute Morgen günstiger gewesen.«
Isabelle schaute ihn bedauernd an. »Tja. Müssen Sie denn nicht arbeiten?«
»Doch, schon.« Er presste die Kiefer zusammen. »Ich versuche nur gerade herauszufinden, was für mich wirklich wichtig ist. Ich kenne Sie ja nicht einmal.«
Isabelle wusste nicht, wovon der Mann redete, hatte aber trotzdem das Gefühl, alles zu verstehen. Es war, als würden seine Augen zu ihr sprechen, während sich sein Mund nur bewegte.
»Ich bin Isabelle«, sagte sie.
Er nickte und sah sie wieder an.
Das machte sie verlegen; sie stotterte: »Ich muss wei terarbeiten«, und ließ ihn allein.
Dann und wann warf sie einen Blick in seine Richtung, während sie Bestellungen zwischen den Tischen und der Küche hin- und hertrug und an der Kasse auf ihrem Ho cker saß, weil ihr Bein allmählich müde wurde. Der Mann blieb einfach dort sitzen, als warte er auf etwas.
Isabelle wurde nervös und auch ein bisschen wütend. Nicht, weil er dort saß, sondern wegen ihrer eigenen Verwirrung und dieses
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