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Isabelle

Isabelle

Titel: Isabelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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seinen Blick. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte.
    »Hast du Angst?«, fragte Ben.
    Sie schüttelte den Kopf. Sie hatte keine Angst, sie war nur durcheinander. Heimlich schaute sie ihn von der Seite an. »Ich weiß nicht, was du von mir willst«, sagte sie.
    »Das weiß ich selbst nicht so genau.« Ein Lächeln erhellte sein Gesicht. Sie fühlte sich seltsam beruhigt.
    »Hast du Zeit, irgendwo essen zu gehen?«, fragte er.
    Isabelle nickte. »Ich habe mein Auto hier stehen.«
    »Möchtest du es mitnehmen?«
    »Ich kann es auch später abholen.«
    Er schaltete und fuhr zur Ausfahrt. »Ich kenne ein hübsches Restaurant am Wasser«, sagte er. »Es ist nicht sehr weit von hier.«
    Ben bog links ab und fuhr unter der Autobahn hindurch nach Waardenburg und von da aus über die Landstraße bis nach Geldermalsen. Der abendliche Berufsverkehr war dicht. Hin und wieder schaute er gewohnheitsmäßig in den Rückspiegel. Es versetzte ihm immer einen kleinen Schock, wenn er ein amerikanisches Auto sah. Bei diesem handelte es sich um ein älteres Pontiac-Modell, das ihnen hinter drei anderen Pkws folgte. An der nächsten Ampel bogen zwei der Autos links ab, und Ben behielt den Spiegel im Auge, als er langsam durch die schmale Hauptstraße von Geldermalsen fuhr. Er wusste, dass es keinen vernünftigen Grund für seine Paranoia gab, atmete aber trotzdem erleichtert auf, als der Pontiac den Blinker setzte und hinter ihm in eine Parklücke fuhr.
    »Wie alt bist du?«, fragte Isabelle.
    »Achtundvierzig«, antwortete Ben.
    »Ich bin sechsundzwanzig.«
    Ben nickte. Direkt hinter der Brücke bog er links ab und fuhr am Flüsschen Linge entlang. Alles war grün und warm, die Obstbäume blühten. Kurz vor dem zweiten Dorf verließ er den Deich und folgte der Parallelstraße durch die Ortschaft. Auf dem Platz neben einer alten Kirche hielt er an. Unter den Linden waren noch ein paar andere Autos geparkt. Ben schaltete den Motor aus und wandte sich zu Isabelle.
    »Ist es hier?«, fragte sie.
    »Nein, ein kleines Stückchen außerhalb des Dorfs. Aber es ist ein so schöner Abend, wir könnten zu Fuß hingehen, wenn du nicht zu müde bist.«
    »Ich bin nicht müde.«
    »Du hast doch den ganzen Tag gearbeitet. Hast du Probleme mit deinem Bein?«
    Sie errötete. »Nein. Ich habe nie Probleme mit meinem Bein. Ich kann damit nur nicht Krankenschwester werden.«
    »Wärst du gern Krankenschwester geworden?«
    »Ach, das ist lange her.«
    Sie stiegen aus, und Isabelle ging um das Auto herum. Sie schaute ihn an und sagte dann: »Ich komme mir ziemlich schäbig vor neben dir in deinem teuren Anzug.«
    »Den habe ich extra fürs Abendessen angezogen«, sagte er mit einem gewissen Spott.
    Sie schüttelte den Kopf. »Aber du konntest doch vorher gar nicht wissen, dass wir essen gehen würden.«
    »Isabelle, du siehst wunderbar aus.« Er sah ihr Zögern und nickte. »Du hast Recht. Der Anzug gehört zu einem anderen Anlass. Halt das doch bitte mal kurz.«
    Sie hielt seine Brieftasche aus weichem Leder in der Hand, während er sein blaues Jackett auszog und einen sahnegelben Pullover von der Rückbank nahm, den er locker um die Schultern legte. Er warf das Jackett ins Auto und schloss es ab. »Besser so?«
    Sie lächelte und gab ihm die Brieftasche wieder, die er in die Hosentasche steckte. Dann hielt er die Hand auf, mit der Handfläche nach oben, sodass sie das weiße, verhärtete Gewebe der Narbe von der anderen Seite sah. Sie legte ihre Hand darauf, und so spazierten sie aus dem Dorf hinaus.
    Alles wirkte warm und strahlend im rötlichen Goldglanz des späten Sommerlichts. Die ganze Welt duftete nach Frühling.
    Das Gasthaus Zum alten Ochsen befand sich in einem großen restaurierten Deichbauernhof, hinter dem sich das Wasser kräuselte. Auf dem schmalen Uferstreifen links neben dem Gasthaus standen sechs kleine Bungalows mit Reetdächern, versteckt zwischen Weiden und Koniferen.
    Isabelle blieb stehen. »Bist du hier schon öfter gewesen?«, fragte sie.
    »Nein, ich bin heute zum ersten Mal hier.« Ihm war klar, dass das unglaubwürdig klang. Ohne ihre Hand loszulassen bückte er sich zum Straßenrand hinunter und pflückte mit der freien Hand eine Pfingstrose. »Das Gasthaus ist mir eines Tages im Vorbeifahren aufgefallen«, erklärte er entschuldigend. Isabelle nahm die Pfingstrose entgegen und steckte sie in ihren Pulli. Wenn sie ein ernstes Gesicht machte, ähnelte sie einer romantischen Postkartenschönheit, doch wenn sie lachte, kniff sie

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