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Isabelle

Isabelle

Titel: Isabelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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Das hört sich vielleicht trivial an, aber wie könnte ich mich sonst ausdrücken? Ich kann mir noch nicht mal mehr vorstellen, dass das erst heute Morgen war.«
    Sie schwieg einen Moment und sagte dann: »Ich arbeite dort schon seit vier Jahren.«
    Ben lachte leise. »Glaubst du, du wärst vor vier Jahren auch mit einem wildfremden Mann zum Essen ausgegangen?«
    »Ich weiß nicht.« Sie schaute auf ihren Teller. Im Grunde wusste sie es schon. Zufall war so etwas wie ein Verkehrschaos, zu dem ja immer die verschiedensten Umstände führten. Vor vier Jahren war sie noch nicht mit Gerard zusammen gewesen, aber das war noch nicht einmal der Punkt. Nein, der Zufall stellte einfach unmögliche Bedingungen an Ort und Zeit und Zusammentreffen und genau die richtigen Einzelheiten; wäre Ben früher gekommen, wäre es zu einem anderen Zeitpunkt gewesen, im Restaurant hätte mehr Betrieb geherrscht, jemand anderes hätte ihn bedient. Sie hätte ihn womöglich nicht einmal bemerkt, wenn sie zum Beispiel schlechter Laune gewesen wäre und es draußen geregnet hätte. Vor vier Jahren hätten die Details nicht gestimmt, und Ben wäre ein Gast gewesen wie alle anderen.
    Sie trank von ihrem Wein, und Ben schenkte ihr nach. Sie hatten beide die Tournedos mit Crêpes und Roquefortsauce bestellt.
    »Erzähl mir von deiner Musik«, bat Ben.
    »Ich habe früher einmal Klavierunterricht gehabt«, sagte sie. »Als ich noch zur Schule ging. Tante Maran besitzt ein altes Klavier, ein Pleyel, eigentlich zu schlicht für Bach und dergleichen. Ich stümpere ein bisschen darauf herum, nur so für mich. Manchmal denke ich, die Komponisten wären mir bestimmt böse, wenn sie wüssten, dass ich ihre Stücke als Hintergrundmusik in einer Autobahnraststätte spiele.«
    »Bestimmt nicht«, meinte Ben. »In den Salons, in denen Chopin auftrat, haben die alten Damen doch auch meistens dabei ein Nickerchen gemacht. Wer ist denn Tante Maran?«
    »Eigentlich ist sie meine Großtante, sie war eine Tante meiner Mutter. Ich habe mein ganzes Leben bei ihr verbracht, abgesehen von einem Jahr, in dem ich bei einem Freund gewohnt habe.« Sie schaute aus dem Fenster und erschrak, als sie sah, dass es schon dunkel war. »Oh je, ich muss sie anrufen.« Sie stand auf.
    »Tante Maran?«
    Isabelle nickte. »Ich muss ihr Bescheid sagen, dass es später wird.«
    Ben schaute ihr nach, als sie die Wirtin nach dem Telefon fragte und eilig in den Flur ging. Einen Augenblick lang erschien ihm ihr Weggang wie ein Bruch, als trete sie damit aus dem Kokon von Intimität heraus, den sie um sich gesponnen hatten, und er bemerkte, wie ihm der Gedanke, dass sie ein anderes Leben in einer anderen Welt hatte, beinahe unerträglich war. Dabei hatte auch er selbst ein anderes Leben; es war ein unvernünftiges und vor allem unerwachsenes Gefühl. Es war ein unerwachsener Tag.
    Er schaute ihr nach, in ihrer khakifarbenen Hose und ihrer beigefarbenen Jerseybluse mit breiten Filet-Häkelborten an Kragen und Ärmeln. Ihre Kleidung war schlicht und passte haargenau zu ihr. Sein Herz krampfte sich zusammen, als die Tür zum Flur hinter ihr zufiel, weil ihm bewusst wurde, dass sie bald schon – heute, morgen? – vielleicht genauso durch eine Tür gehen und aus seinem Leben verschwinden würde.
    Sie errötete leicht, als sie zurückkam, wodurch sie aussah wie ein Mädchen, das seinen Eltern weisgemacht hatte, es übernachte bei seiner Freundin.
    »Und, war es ihr recht?«
    Sie lächelte andeutungsweise und spießte das letzte Stück Tournedos auf ihre Gabel. Er war froh, dass sie eine gesunde Esserin war. Ganz offensichtlich machte sie sich keine unnötigen Sorgen um Kalorien oder ihre schlanke Linie. Sie gehörte nicht zwischen die Autobahnen. Sie gehörte auf ein Schiff oder barfuß zwischen die Muscheln am Strand.
    »Erzähl mir doch etwas von deinen Eltern.«
    »Ich weiß nicht, wer mein Vater ist«, antwortete sie. »Meine Mutter hat es Tante Maran nie erzählt. Sie ist bei meiner Geburt gestorben.«
    Isabelle schwieg. Draußen wurde es dunkler, drinnen brannten Schirmlampen und Kerzen. Ben fand sie im Kerzenlicht anrührend schön.
    »Zwei Waisenkinder«, sagte er.
    »Jetzt hab ich es schon wieder gehört«, sagte sie. »Du hast einen Akzent. Wenn du Wörter aussprichst wie ›zwei‹ oder ›genau‹ oder ›Zufall‹. Als hättest du viele Jah re im Ausland verbracht und eine andere Sprache gespro chen.«
    »Wahrscheinlich liegt das an meiner Zeit auf See. Ich bin auf vielen Schiffen

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