Isabelle
die Augen zusammen und ihr ganzes Gesicht kräuselte sich um ihre Nase herum, sodass man einfach mitlachen musste.
Im Restaurant waren nur zwei Tische besetzt. »Sie können sich setzen, wohin Sie möchten«, sagte die freundliche Wirtin.
Isabelle schaute zur Seite und sah, wie Ben das Gasthaus musterte, mit derselben Wachsamkeit wie heute Morgen das Restaurant. Es dauerte nicht lange, dann entspannte sich sein Gesicht wieder, und er lächelte sie an. »Such du uns etwas aus.«
Der Raum war groß, aber niedrig. Die Decke bestand aus schweren Holzbalken, der Fußboden war rot gefliest, und in der Mitte befand sich ein großer offener Kamin, in dem auf Tischhöhe unter einer riesigen, eisernen Schornsteinklappe dicke Holzscheite brannten. Die Tische waren aus altem Eichenholz gefertigt und mit rosafarbener Tischwäsche, Kerzenständern, Gläsern, Besteck und Zinnvasen mit Narzissen gedeckt. Um sie herum standen traditionelle Stühle mit hölzernen Armlehnen und aus Peddigrohr geflochtenen Sitzen. Eine alte Ritterrüstung hielt an der Wand aus Backstein neben einem dunklen Gemälde Wache, auf dem mittelalterliche Troubadoure zu sehen waren. Die Lampen waren alten Wagenrädern nachempfunden, und überall hingen und standen Grünpflanzen sowie Gegenstände aus Kupfer und Zinn. Orchestermusik von Mozart klang unaufdringlich aus verborgenen Lautsprechern. Isabelle wählte einen Tisch an einem der Bleiglasfenster mit Aussicht auf den Fluss, in Höhe des offenen Kamins, sodass sie die warme Glut spürte.
»Ganz anders als bei uns«, bemerkte sie.
Die Wirtin brachte ihr einen Portwein und Ben einen Cognac, und sie studierten die in Leder gebundenen, handgeschriebenen Speisekarten. Er schaute sie über den Rand hinweg an. »Fühlst du dich wohl?«
»Ja«, antwortete sie. »Ich bin nicht einmal mehr nervös. Es ist ein bisschen …«
»Ein bisschen was?«
»Als du meine Hand gehalten hast, hatte ich wieder dieses Gefühl, als würde ich dich schon sehr lange kennen, obwohl ich überhaupt nichts von dir weiß. Ich kann es nicht erklären.«
»Ich kenne das so auch noch nicht«, sagte er.
Sie spürte, dass er nicht gerne über sich selbst sprach. Er erzählte, dass er in einem Waisenhaus aufgewachsen und später, mit achtzehn, zur See gefahren war. Vor vier Jahren hatte er geheiratet und arbeitete nun in der Firma, die seit dem Tod seines Schwiegervaters seiner Frau gehörte. »Möchtest du, dass ich dir von meiner Frau erzähle?«
Isabelle schüttelte den Kopf. »Hast du Kinder?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Ich glaube, ich kann keine Kinder zeugen.« Er schaute ihr ins Gesicht. »Findest du das schlimm?«
Einen Moment lang war sie verwirrt. »Ich weiß noch nicht, was ich davon halten soll«, antwortete sie schließlich. »Woher willst du das überhaupt wissen?«
»Judith ist einmal schwanger gewesen, aber sie hat abgetrieben.«
Isabelle erschrak unwillkürlich. »Warum?«
»Sie lebte mit dem betreffenden Mann schon in Scheidung. Aber jedenfalls kann es nicht an ihr liegen.«
Isabelle war froh, dass die Vorspeisen serviert wurden, sodass sie eine Weile nichts zu sagen brauchte. Sie hatte Räucherlachs auf Toast mit Kapern bestellt, Ben die Pastete nach Art des Hauses. Ein junger Mann im Smoking brachte den Wein. Ben probierte, ohne eine große Show daraus zu machen, wie manche Männer es taten. Es war ein leckerer roter Gigondas.
Sie beschloss, die Kinder und die Frau zu vergessen, und fragte: »Warum bist du heute Morgen eigentlich ins Café gekommen?«
»Einfach köstlich«, sagte er. »Probier mal.« Er drückte mit dem Messer ein wenig von der Pastete auf ein Stück Baguette und reichte es über den Tisch. Sie öffnete den Mund und spürte seine Fingerspitzen an ihren Lippen. »Dein Auto war doch bestimmt schon öfter in der Inspektion«, beharrte sie.
Er nickte. »Manchmal passieren eben Dinge, von denen man sofort weiß, dass man sie für den Rest seines Lebens niemals mehr vergessen wird. Der Tag heute gehört für mich dazu. Ich weiß nicht genau, wie es kam. Oder doch, ich könnte dir schon einen Grund nennen, aber der spielt jetzt keine Rolle. Normalerweise holt jemand von der Werkstatt mein Auto ab und bringt es auch wieder zurück, oder jemand von der Firma erledigt das. Aber heute Morgen wollte ich einfach mal kurz raus, und deshalb habe ich es selbst in die Werkstatt gebracht. Das ist zwar einerseits Zufall, aber andererseits musste es auch so kommen, weil ich dir sonst nie begegnet wäre.
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