Isarblues: Der dritte Fall für Max Raintaler (German Edition)
ist.«
»Prinzipien
muss man sich leisten können, Max«, entgegnete sie ihm und sah ihn lange an.
»Und heute
fährt er Taxi? Sonst tut er nichts?«
»Soweit
ich das weiß, nein. Stell dir das nur mal vor. Dabei könnte er ein Star sein. Stattdessen
kutschiert er jede Nacht Betrunkene durch die Gegend und streitet mit ihnen um den
Fahrpreis.« Sie stand auf und eilte nackt wie sie war in ihr Wohnzimmer hinüber.
Nach ein paar Minuten kam sie mit einem Foto zurück. »Da, schau. Das ist er.«
Max erkannte
einen jungen, sehr ernsthaft dreinblickenden Mann darauf. Er hatte eine Sicherheitsnadel
in der Backe und trug schwarze, nietenverzierte Punkerklamotten. Sein Haupt wurde
von einem knallrot gefärbten Irokesenschnitt gekrönt. Das aggressive Äußere passte
überhaupt nicht zu dem nachdenklichen Blick aus seinen sanften dunkelbraunen Augen.
Er hatte eine E-Gitarre mit einem Totenkopf darauf umgehängt und seine feingliedrigen
Finger lagen auf dem Griffbrett. So, als würde er gerade spielen.
»Er sieht
irgendwie verloren aus.«
»Sage ich
doch«, bestätigte Irene. »Ein intelligenter und sensibler Mensch, der sich mit seinem
albernen Stolz um die besten Chancen in seinem Leben gebracht hat. Das war mein
Charly. Was soll’s? … Vielleicht hat er eines Tages doch noch mal mit irgendwas
Glück. Es heißt, dass er nebenher mit dem Malen angefangen haben soll. Und das gar
nicht schlecht.«
»Warst du
eigentlich auch schon mal mit einem Nichtkünstler zusammen?« Er grinste nur.
»Niemals.«
Auch Irene verzog ihren Mund zu einem breiten Grinsen.
»Aber das
hat natürlich nichts mit irgendwelchen Prinzipien zu tun, an denen du festhältst?«
»Natürlich
nicht. Wie kommst du bloß auf so was?«
Beide lachten
laut los.
»Willst
du mal ein frühes Bild von mir sehen?« Er wartete ihre Antwort gar nicht erst ab
und lief ebenfalls ins Wohnzimmer. Dort kramte er seine Brieftasche aus den Jeans
und kam damit zurück ins Bett. Als er wieder neben ihr lag, zog er seinen uralten
grauen Führerschein daraus hervor, den er seit Jahren als Zeitdokument aufbewahrte,
faltete ihn auseinander und reichte ihn ihr.
»Wahnsinn!
Ich glaube es nicht!«, rief sie entsetzt, als sie den langhaarigen Waldschrat mit
Vollbart auf dem kleinen Passfoto erblickte. »Das ist ja schrecklich, Max. Nur gut,
dass wir uns erst jetzt kennengelernt haben. Sonst wäre das mit uns beiden nie was
geworden.« Sie lachte frech.
Moni hat
das Bild eigentlich immer gut gefallen, dachte Max, der einen Moment lang von ihrer
heftigen Reaktion irritiert war. Hatte Irene vielleicht etwas gegen Langhaarige
mit Bart? Ein bisschen spießig kam sie ihm ja schon die ganze Zeit vor. Ach was.
Schmarrn. Schließlich war sie mal mit einem Punker zusammen gewesen.
»Ja mei,
die Zeiten ändern sich«, philosophierte er versonnen.
»In deinem
Fall würde ich sagen, Gott sei Dank. Wie kann sich ein so schöner Mann nur hinter
so einem wilden Vollbart und so langen, ungepflegten Haaren verstecken.«
Sah er auf
der Aufnahme etwa aus wie dieser Fritz Bär? Niemals. Oder doch? Egal. Wen interessierte
schon die Vergangenheit. Das Jetzt und das Hier zählten. Und vielleicht noch morgen
früh. Sonst nichts. Irene gab ihm immer noch lachend seine zerknitterte alte Pappe
zurück und küsste ihn zärtlich.
30
Max wollte seine Augen öffnen, schloss
sie aber gleich wieder. Die Sonne schien ihm genau ins Gesicht und blendete ihn
dabei wie ein Scheinwerfer aus zwei Zentimetern Entfernung. Er drehte sich zur Seite
in den Schatten und versuchte es erneut. Und sah Irenes blonde Locken direkt vor
sich. Behutsam legte er seinen freien Arm über sie und streichelte zärtlich ihren
Bauch.
»So früh
schon wach?«, fragte sie verschlafen. Sie drehte sich zu ihm herum und gab ihm ein
Küsschen auf die Wange.
»Die Sonne
hat mich geweckt«, antwortete er flüsternd.
»Noch zehn
Minuten, dann mach ich uns Frühstück. Okay?« Sie reckte sich und gähnte ausgiebig,
bevor ihr Kopf gleich darauf wieder in ihr Kissen zurück fiel.
»Ich gehe
schon mal Semmeln holen. Ruh du dich noch aus.« Er konnte nicht mehr schlafen. Wenn
der Raintaler wach war, war er wach und musste aufstehen. Das war schon immer so,
und es würde auch immer so bleiben. Er wühlte sich aus dem Bett, nahm seine Blutdrucktablette,
duschte, zog sich an, steckte Irenes Schlüssel ein, damit sie nicht aufstehen musste,
wenn er zurückkäme und eilte die Treppen hinunter. Mit einer großen Papiertüte voller
Semmeln
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