Isarbrodeln
geworden.
»Wer ist denn diese Clara?«, fragte sie jetzt, und machte dabei ein selbstverständliches Gesicht, so als hätte sie jedes Recht darauf, es zu erfahren.
Schau an, schau an, Raintaler, die Inquisition ist zurück. Wäre auch zu schön gewesen, wenn es so harmonisch und freundlich wie in der letzten Stunde geblieben wäre.
»Giovannis Witwe. Wieso?«
Kennt die gute Frau keinen Abstand? Ich glaub, es hat echt keinen Sinn mit ihr. Sie ist ja krankhaft eifersüchtig. Sogar auf frisch gebackene Witwen. Das hält doch kein Schwein aus.
»Äh, nichts. Nur so. Wie geht es ihr denn?«
»Nicht so gut.«
Kannst du dir doch denken, eifersüchtige Nudel.
»Ja, ist ja klar. Die Ärmste.«
Gott sei’s gedankt. Wenigstens zieht sie nicht wieder so ein Theater ab wie vorhin wegen Moni.
Um kurz vor zehn waren ›Rosis Bierstuben‹ wieder mal nahezu bis auf den letzten Stuhl besetzt. Wie immer um diese Zeit. Kein passender Ort mehr für ungestörte Zweisamkeit. Zu allem Übel platzierte Rosi auch noch ein älteres Münchner Paar an den Tisch der beiden. Ein Herr mit Hut samt goldbehangener Begleiterin im blauen Kostüm. Sie grüßten knapp von oben herab zu Max und Annika herüber, nachdem sie sich gesetzt hatten, und ignorierten sie anschließend. Wie man das in der bayrischen Landeshauptstadt eben tat, wenn man viel Geld hatte oder sich aus anderweitigen Gründen für etwas Besonderes hielt.
»Herrschaftszeiten. Es wird immer voller hier«, raunte Max Annika mit einem kritischen Blick auf ihre neuen Nachbarn zu. »Was meinst du? Sollen wir aufbrechen?«
»Gerne. Es wird nämlich auch immer ungemütlicher.«
Offensichtlich war ihr die abweisende Art der beiden arroganten Krokodile ebenfalls nicht entgangen.
»Wir können ja noch woanders hingehen.«
»Von mir aus gerne. Ich bin noch nicht müde. Sag du wohin. Ich hab keine Ahnung. Ich kenne nur dieses Lokal hier.« Sie sah ihn gespannt an.
»Dein Hotel ist in Richtung Süden, hast du gesagt. Stimmt’s?« Max stand auf, nahm seine Lederjacke vom Haken und zog sie an.
»Stimmt.« Sie erhob sich ebenfalls.
»Ich wohne auch im Süden. In Thalkirchen um genau zu sein. Was hältst du davon, wenn ich dich zu Fuß nach Hause begleite und wir schauen einfach mal, welche Lokale wir auf dem Weg so finden? Und wenn uns eins gefällt, gehen wir rein. Okay?«
»Okay. Klingt spannend. Wer weiß, wo wir da landen.«
»Genau. Das ist der Sinn der Übung. Sich überraschen zu lassen.«
Sie begaben sich zu Rosi an den Tresen, wo er die Rechnung bezahlte. Natürlich ohne sich vorher von dem aufgebrezelten Ehepaar an ihrem Tisch zu verabschieden. Denn wie stand es schon in der Bibel? Auge um Auge. Arroganz um Arroganz. Oder so ähnlich. Dann gingen sie los. Zunächst nach draußen und gleich darauf südwärts. Immer der Nase nach.
Wer die Wahl hat, hat die Qual, dachte er, als sie sich bereits Annikas Hotel näherten und immer noch kein passendes Etablissement für ihren letzten Drink am heutigen Abend gefunden hatten. Das erste Lokal war ihr zu leer gewesen. Im zweiten war nur eine wild tanzende Horde betrunkener Fußballfans an der Bar gestanden, wovon sich alle beide nicht so recht zu Begeisterungsstürmen hinreißen lassen wollten. Das Nächste hatte ihnen nicht gefallen, da zu sehr auf Schickimicki getrimmt. Und eben waren sie noch an einer völlig heruntergekommenen Szenekneipe vorbeigekommen, in der sich ausschließlich Jugendliche mit kniekehlentiefhängenden Hosenböden vergnügt hatten. Also ebenfalls Fehlanzeige. Jetzt standen sie vor einer winzigen Bar und Pizzeria nahe den Großmarkthallen. Von den Rändern der zugezogenen Vorhänge schimmerte gelbes Licht auf die Straße. ›Bar Verona‹ lasen sie auf dem schwach beleuchteten, alten Schild über dem Eingang.
»Nicht gerade einladend, was? Aber egal, wer oder was da drinnen herumsteht, wir gehen auf jeden Fall rein und trinken einen. Abgemacht?« Max hatte Durst nach dem langen Fußmarsch und nicht die geringste Lust, noch weiter durch die kühle Frühlingsnacht zu irren. Obwohl das mit Annika als attraktiver Begleitung durchaus auch seine positiven Seiten hatte.
»Abgemacht!«, erwiderte sie.
Als sie eintraten, schlugen ihnen dichter Rauch und lautes italienisches Stimmengewirr entgegen. Ein runder, rot lackierter Bistrotisch neben dem Fenster war noch frei. Sie setzten sich auf die zwei wackeligen Barhocker, die direkt davor standen. Dann bestellte Max Biere und Grappas bei dem glatt gegelten Kellner
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