Isarbrodeln
tröstend, während sie Monikas Rücken streichelte. »Bisher ist er noch immer wiedergekommen. Und das hat auch seinen Grund. Was Besseres als dich findet er nämlich nicht. Da kann er überall suchen.«
»Meinst du wirklich?« Monika richtete sich auf und blickte Anneliese unsicher durch ihren Tränenschleier hindurch an.
»Ganz bestimmt. Und am besten hörst du wirklich mal eine Weile lang damit auf, an ihm herumzunörgeln. Zumindest so lange, bis er sich wieder beruhigt hat. Mir hast du diesen Tipp bezüglich Sabine schon hundertmal gegeben. Dann wende ihn halt auch mal bei dir selbst an.«
»Hast recht, Annie. Das mache ich. Ich werde mir alle Mühe geben.« Monika schnäuzte sich kräftig in eine der neben ihnen auf dem Tresen gestapelten, weiß-blau karierten Papierservietten.
»Obwohl es wirklich nicht einfach ist«, fuhr sie dann fort. »Weil … es ist doch so. Da sieht man genau, wie jemand etwas falsch macht und sich selbst keinen Gefallen damit tut. Und eigentlich will man ihm nur helfen. Aber man merkt anscheinend gar nicht, dass der andere gar keine Hilfe will, sondern dass er glaubt, dass man versucht, ihn zu manipulieren. Aber so ist es gar nicht. Man will doch einfach nur helfen. Ist das denn so falsch?« Sie riss die Augen auf, schüttelte den Kopf und begann wieder zu weinen. Aus vollstem Herzen. Alles, was sich in den letzten Jahren bezüglich ihrer Beziehung und der damit verbundenen Gefühlslage bei ihr aufgestaut hatte, brach jetzt auf einmal aus ihr heraus.
Normalerweise heulte sie nicht gleich los, wenn irgendetwas nicht lief. Ganz im Gegenteil. Für gewöhnlich vertrat sie bewunderungswürdig das Modell ›starke Frau der Neuzeit‹: selbstständig, geschäftstüchtig, wagemutig und tapfer. Aber ganz tief drinnen sind halt auch die Stärksten von uns verletzbar. Und genau das wurde ihr nun seit langer Zeit wieder einmal bewusst.
»Natürlich ist es nicht falsch, anderen helfen zu wollen«, erwiderte Anneliese. »Und wenn unsere geliebten Herren der Schöpfung nicht immer so stolz wären, würden sie das auch ganz schnell merken. Aber du lässt ihn, ehrlich gesagt, auch zu wenig an dich ran. Zeig ihm doch mal, wie verletzlich du bist. Und sag ihm, dass du ihn wirklich brauchst. Vielleicht ist es gerade das, was ihm fehlt. Letztlich wollen die Kerle doch alle immer den starken Beschützer mimen.«
»Da könntest du recht haben.« Monika schnäuzte sich noch einmal in eine neue Serviette und warf sie zu der anderen in den Mülleimer unter den Zapfhähnen. Er hat mich ja auch schon oft gefragt, ob ich ihn heiraten will, dachte sie währenddessen. Und ich habe ihn immer nur ausgelacht und geglaubt, dass er einen seiner albernen Scherze macht. Bestimmt habe ich ihn damit viel mehr verletzt, als ich jemals gedacht hätte. Und vielleicht geht so eine Beziehung, in der jeder tun und lassen kann, was er will, auch gar nicht. Vielleicht muss es wirklich ›entweder oder‹ heißen.
»Danke, Annie.« Sie schniefte ein letztes Mal. »Ich könnte jetzt gut einen Schnaps gebrauchen. Du auch?«
»Igitt, igitt. Mit dem Zeug kannst du mich hundert Meilen weit um die Häuser jagen. Das weißt du doch.« Ihre blonde Freundin verzog angewidert das Gesicht.
»Na gut. Dann noch einen Weißwein?«
»Gerne, Moni. Und ein Wasser.«
»Kommt sofort. Meinst du, er mag mich noch?«
»Bestimmt.«
33
Max und Franz stiegen vor dem renovierungsbedürftigen, grauen Altbau, in dem Paolo seine Wohnung hatte, aus ihrem Taxi. Es war kurz nach zehn und immer noch angenehm warm. Eigentlich eher eine Nacht, um verliebt Arm in Arm mit seiner Freundin durch die Straßen zu schlendern, als hektisch irgendwelchen Verdächtigen hinterherzujagen. Der Sommer nähert sich mit Riesenschritten und das ist gut so, dachte Max. Draußen ist es halt doch am schönsten. Da kann deine Wohnung noch so gemütlich sein, du fühlst dich dort immer eingesperrt. Es sei denn, du hast viel Geld und kannst dir eine riesige Dachterrasse leisten. Oder ein kleines Häuschen. Egal. Hadere nicht mit deinem Schicksal, Raintaler. Genau genommen hast du es doch ganz gut erwischt. Es könnte auf jeden Fall schlimmer sein. Aber wirklich.
»Ich glaube einfach nicht, dass Paolo etwas mit dem Mord zu tun hat«, wandte er sich an Franz. »Egal, was uns dieser schmierige Promiwirt vorhin erzählt hat. Erstens hat Paolo ein wasserdichtes Alibi, und zweitens traue ich ihm das prinzipiell nicht zu. Ich kenne ihn schließlich seit Jahren. So was macht
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