Isarhaie: Der vierte Fall für Max Raintaler (German Edition)
Haltestelle dort gab es ein kleines Café, in dem er seine Ermittlungen
bei einem leckeren Espresso und hervorragendem selbstgemachtem Kuchen noch mal
in aller Ruhe überdenken konnte. Danach würde er bei Traudi, die in der Nähe
des Cafés wohnte, vorbeischauen. In ihrem verheerenden Seelenzustand konnte er
sie doch nicht sich selbst überlassen. Obwohl sie ihn heute Morgen mit der
Waffe bedroht und wahrlich saublöd angemacht hatte. Aber über so etwas musste
man als Privatdetektiv auch mal drüberstehen können. Vor allem dann, wenn es
sich um eine so attraktive junge Frau wie Traudi handelte. Natürlich wollte er
nichts von ihr. Rein mitmenschliches Interesse trieb ihn an. Ehrensache.
Er fuhr
mit der Rolltreppe beim großen Brunnen ins Stachus-Untergeschoss hinunter und
marschierte, an den Läden dort vorbei, zu den Aufgängen für die Straßenbahn
hinüber. Als er oben am Gleis ankam, blickte er auf die elektronische
Abfahrtsanzeige, die über den Köpfen der Wartenden installiert war. Genial. In
zwei Minuten würde die nächste 17 kommen. Wie es sich gehörte, stellte er sich
in die Reihe der Wartenden und bestaunte den schräg gegenüberliegenden
prunkvollen Bau des Justizpalastes, in dem das Bayerische Staatsministerium der
Justiz und für Verbraucherschutz untergebracht war. Ein Wahnsinn, was der Staat
alles für seine Renommeeobjekte ausgibt, dachte er. Ob Woller bereits für die
nächsten Renovierungsarbeiten daran vorgemerkt ist? Bestimmt. Saubande,
widerliche.
Die
Tram fuhr ein. Max machte einen Schritt nach vorn. Auf einmal spürte er einen
kräftigen Stoß in seinem Rücken, der ihn auf die Gleise taumeln ließ. Verdammte
Scheiße. Was war denn jetzt los? Die Tram kam immer näher. Nur noch ein paar
Meter, dann würde sie ihn überrollen. Er stolperte weiter, fiel fast hin, fing
sich wieder, ging in die Knie und stieß sich zu einem Sprung auf die andere
Seite des Gleises ab. Die Bremsen der Trambahn quietschten laut. Die Wartenden
schrien vor Schreck. Max flog wie ein Torwart durch die Luft und rollte sich
auf dem gegenüberliegenden Gleis ab. Geschafft. Er hatte es überlebt. Was war
geschehen? Wer hatte ihn geschubst? Ein Irrer? Wo war er hin? Er drehte sich
ruckartig um und ließ seinen Blick über die Köpfe der entsetzt dreinschauenden
Fahrgäste am Bahnsteig gleiten. Da! Ein Mann mit einer grauen Wollmütze auf dem
Kopf sah zuerst zu ihm herüber, drehte sich dann hektisch um und rannte
Richtung Stachus davon. Max folgte ihm unverzüglich. Na warte, Bursche, dich
kriege ich, sagte er sich, während er wie eine Gerölllawine durch die Leute
fegte.
»Sag
mal, du spinnst doch komplett, du Kaschperlkopf!«, rief ihm der immer noch
unter Schock stehende Trambahnfahrer wütend durch die offene Tür hinterher.
»Springt der mir vor meinen Wagen und dann rennt er wie vom wilden Affen
gebissen davon. Das gibt es ja gar nicht. Eingesperrt gehören solche Deppen!
Aber auf Lebenszeit.«
Wenigstens
wolltest du mich nicht umbringen wie der Busfahrer an der Isar, erwiderte ihm
Max im Geiste. Er legte noch einen Zahn zu. Der Mann mit der Mütze war schon
die Treppe hinuntergelaufen. Wenn er ihm nicht schnell genug folgte, würde er
ihn in der Menge aus den Augen verlieren. Mit jedem Schritt nahm er drei Stufen
auf einmal und stürzte dabei fast erneut. Im Untergeschoss blickte er hektisch
nach links und nach rechts. Dann wieder nach links.
»Verdammter
Mist!«, fluchte er laut. Er sah sich noch ein weiteres Mal in allen Richtungen
nach der grauen Mütze um. Nichts. »Irgendwer hat es auf mich abgesehen. So viel
ist sicher.«
»Wie
bitte?«, erkundigte sich die kleine ältere Dame im leichten Sommermantel, die
gerade an ihm vorbeistöckelte.
»Nichts,
ich rede mit mir selbst.« Max grinste gequält.
»Noch
so einer.« Kopfschüttelnd machte sie sich davon.
»Steckt
Woller dahinter?«, sprach Max leise weiter. »Oder war das der Kerl, der mir die
K.-o.-Tropfen ins Bier geschüttet hat? Oder der Schläger aus meinem
Treppenhaus? Herrschaftszeiten, langsam reicht’s mir mit dem Schmarrn. Die
bringen mich wirklich noch um, wenn es so weitergeht. Da muss ich wohl bald bei
Franzi Polizeischutz beantragen.«
Nachdenklich
kehrte er zum Bahnsteig zurück, um die nächste Straßenbahn nach Untergiesing zu
nehmen. Auf der Treppe kam ihm ein Zeitungsverkäufer entgegen. Max kaufte ihm
eine ab und stieg weiter die Stufen hinauf. Die Tram war nicht besonders voll,
und so bekam er einen bequemen Sitzplatz.
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