Isartod
gut«, stellte er trocken fest. »Aber Erwartungen sind nicht da, um erfüllt zu werden.«
»Doch, sind sie schon«, sagte Beate.
»Nein. Man kann sich lieben, auch wenn man anderer Meinung ist.«
»Du redest Amok. Du bist betrunken. Und traurig. Woher willst du das wissen? Du bist doch Single.«
Treffer. Versenkt. Sie stand auf und ging zum Tresen. Wo sie recht hat, hat sie recht. Hummel trank aus, legte zwei Geldscheine unter sein Bierglas und ging hinaus in die kühle Nacht.
Das Glück hilft immer den Tapferen. Auf dem Weg zur U-Bahn traf Hummel tatsächlich Susi aus dem Strabanz . Sie kam gerade aus dem Kino. Arbeitsfrei. Sonst hätten Zankl und Hummel sie ja vorhin in der Kneipe getroffen. Auf gut Glück fragte Hummel sie zu Luigi und Miller. Volltreffer! Sie hatte beide an dem betreffenden Abend gesehen. Miller hatte ein Bier im Strabanz getrunken, und Luigi hatte nach der Sperrstunde ins Fenster geglotzt, als sie mit ihrem Freund zugange war. Hummel fühlte sich wie ein Sieger.
TIEF IN DIE NACHT
Noch schlief keiner von Hummels Kollegen. Schon erstaunlich. Jeder führte ein Eigenleben, das sich manchmal bis tief in die Nacht erstreckte.
Mader zum Beispiel. Der saß in der Küche und betrachtete ein Foto. Ein Straßencafé in Paris. Eine schmale schöne Frau mit schwarzen Haaren. Sehr französisch. Sehr schwarz-weiß. Wie ein Bild von Doisneau. Mader hatte das Bild gemacht. Er hatte sich so einen Einwegapparat gekauft. Vierundzwanzig Bilder. Aber keins so schön wie dieses. Jacquelines schwarze Augen, die gar nicht schwarz waren, sondern braun. Tief, ein bisschen fragend, ein bisschen unsicher und im nächsten Moment schon wieder strahlend, offen, herzlich. Zwei Menschen, die sich treffen, weil sie für einander bestimmt sind. Für diesen Moment. Und dann wieder auseinandergehen, weil die Läden des Zeitfensters sich wieder schließen. Mader war nicht melancholisch. Die Schönheit des Augenblicks, die ihn so überrascht hatte. Die hier auf dem Bild eingefangen war. Die Botschaft: Jeden Tag kann sich dein Leben komplett ändern!
Vergangene Zeiten. Mader erinnerte sich: Er war damals gerade frisch geschieden, hatte mehrere Abmahnungen bekommen, eine Strafversetzung nach Passau vor sich. Und zwei Wochen Urlaub. Allein. Sein Jugendtraum: Paris. Abstand gewinnen zu den letzten Jahren Ehehölle. Leonore! Wie lange hatte er nicht mehr an sie gedacht. Jetzt, mitten in der Nacht, weil sie heute angerufen hatte. Ob sie sich nicht mal wieder sehen wollten. Nein, das wollte er nicht. War zum Glück nur sein Anrufbeantworter. An Leo hatte er nur wenige gute Erinnerungen. Eine schöne, starke Frau. Aber sehr dominant. Ohne Verständnis für seine variablen Arbeitszeiten. Ohne Verständnis für seinen bodenständigen Geschmack. Was immer sie mal an ihm gefunden haben mochte. Andersrum war es klar. Zumindest am Anfang. Leonore hatte ihn schon beim ersten Treffen in den Bann geschlagen. Sie in Robe,majestätisch, Richterin, er als junger Kriminalkommissar im Zeugenstand. Er hatte sie vergöttert. Aber nach zehn Ehejahren war alle Bewunderung aufgebraucht. Und viele Nerven. Sie lebten damals schon ein Jahr getrennt. Mader hatte die riesige Jugendstilwohnung in Neuhausen gegen diese Betonsilokemenate getauscht und sich mit seinen Mitteln und seinem Geschmack häuslich aufs Alleinsein eingerichtet. Mit Bajazzo hatte er sich verbündet, als ihm das Alleinsein doch zu unheimlich wurde. »Ich hab es keinen Moment bereut«, sagte er leise und beschloss, nicht zurückzurufen. Auch morgen nicht. Aber er beschloss auch etwas anderes: Endlich mal wieder nach Paris fahren. Keinen Erinnerungen nachhängen. Einfach in den Tag leben. Den Augenblick genießen.
Zankl lag auch noch wach. Klar, heute hatte er sich wieder dumm verhalten und versucht, Dosi vor Hummel schlechtzumachen. Kein feiner Schachzug. Der Wunsch, wenigstens seine Frau würde ihn noch freudig empfangen, weil es doch nicht so spät geworden war, war unerfüllt geblieben. Wo er doch jetzt ein bisschen Zärtlichkeit bräuchte. Aber Conny hatte sich einfach mit einem Stöhnen zur Seite gedreht.
Dosi saß mit Fränky im Fiesta vor ihrem Haus. Die Luft knisterte zwischen beiden. Nicht erotisch, auch nicht vielsagend. Eher eine negative Spannung vom statischen Vakuum der Worte. Als würde gleich etwas implodieren. Kein Wort wäre hier richtig. Endlich stieg Dosi aus und ging zum Hauseingang. Fränky blieb sitzen.
Hummel war der Einzige, dessen Laune heute nicht vom Firn
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