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Isau, Ralf - Neschan 03

Titel: Isau, Ralf - Neschan 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lied der Befreiung Neschans Das
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Fohlen werden, bis seine Gebeine zu Staub zerfallen und ewig im Wind über die Steppe jagen. Was kann sich ein Pferd Schöneres wünschen?«
    »Du hättest Händler werden sollen, Yonathan, oder Dichter. Wenn man dir zuhört, glaubt man am Ende noch, das schwerste Opfer sei ein großer Gewinn.«
    »Jeder von uns muss Verluste hinnehmen, Gimbar. Ich habe mich von Kumi trennen müssen. Sogar Garmok begibt sich in Gefahr, um unsere Sache zu unterstützen.«
    »Garmok?« Yamina hatte die Unterhaltung ihrer beiden Gefährten bis zu diesem Punkt schweigend verfolgt.
    Yonathan nickte. »Der Drache erzählte mir, dass Bar-Hazzat ihn hereingelegt habe, als er ihm das Auge zur Bewachung gab. Damit Garmok sich nicht zu weit von seinem Schutzobjekt entfernt, ›behandelte‹ Bar-Hazzat das Wasser des Akeldama-Sees. Wenn Garmok nicht mindestens einmal in der Woche aus dem See trinkt, dann muss er sterben.«
    »Und trotzdem trägt er uns nach Westen?«
    »Genau drei Tage lang, so lautet unsere Abmachung. Dann wird er umkehren.«
    »Drei Tage«, wiederholte Yamina nachdenklich. »Wie weit kann ein Drache wohl in dieser Zeitspanne fliegen?«
    Garmoks Starttechnik war für seine menschlichen Fluggäste ungewohnt. Nicht dass der erste kurze Flug, den Yonathan und Gimbar ohne jedes »Reitgeschirr« bewältigt hatten, wesentlich angenehmer gewesen wäre. Im Gegenteil. Garmok war mit einem Riesensatz über die Kante des Drachenberges gesprungen, unerträglich lange gen Boden gestürzt und hatte erst im letzten Moment seine weiten Lederschwingen ausgebreitet, um aus dem Fall in eine horizontale Flugbahn umzulenken. Bei dieser Aktion hatten Yonathan und Gimbar so lange den Atem angehalten, bis der Drache wieder zur Landung ansetzte.
    Hier, im seichten Wasser des Sees, verlangten die Umstände eine andere Vorgehensweise: Garmok begann – zunächst unbeholfen watschelnd, dann mit zunehmender Geschwindigkeit immer eleganter – am Ufer entlangzurennen, den Hals weit vor –, den gezackten Schwanz lang ausgestreckt, er ruderte dabei mit den Flügeln, die sich immer weiter entfalteten, und hob endlich, nach etwa einer Viertelmeile, vom Wasser ab, sackte sogleich wieder zurück, erhob sich ein weiteres Mal, streifte wieder den See und schwang sich endlich beim dritten Versuch erfolgreich in die Lüfte.
    Unter mächtigen Schlägen seiner Schwingen schraubte sich Garmok in die Höhe. Gimbar hatte sich tief in seinem Transportsack vergraben, doch Yonathan und Yamina mussten einfach, trotz aller Angst, über den Rand ihrer Taschen blinzeln. Sie sahen unter sich die dunkel glitzernden Fluten des Akeldama-Sees, ein letztes Mal den kahlen Kegel Har-Liwjathans sowie am Ufer – winzig klein – die johlenden und winkenden Ostleute. Von hier oben konnte man schon die Sonne rot am Horizont auftauchen sehen, unten am Boden herrschte noch frühmorgendliches Dämmerlicht.
    Sie waren bereits sehr früh aufgestanden, die Sterne funkelten noch am Himmel. Yonathan hatte ohnehin nicht sehr viel geschlafen; die letzten Tage hatten seinen Körper ziemlich durcheinander gebracht.
    Als die stolzen Sattler am Abend zuvor ihr Drachenzaumzeug vorgestellt hatten, waren Yonathan und Gimbar gerade erst erwacht. Völlig erschöpft hatten sie den Nachmittag durchgeschlafen. Inzwischen trafen auch die übrigen Gefährten ein, die vor dem toten Wald zurückgeblieben waren. Bis um Mitternacht feierte man dann den Abschied, nach Sitte der Ostleute wortreich und ausgelassen.
    Als der Drache lange vor Sonnenaufgang seinen Horst verließ, um seine Passagiere abzuholen, war die Zeit für ein letztes Lebewohl gekommen. Sandai Yublesch-Khansib und sein Sohn, San-Yahib, versuchten noch einmal, Yonathan und Gimbar mit ihren Umarmungen zu erdrücken, und der kleine Fährtensucher, Leschem, warnte abermals vor der Verschlagenheit von Drachen im Allgemeinen und der Tücke Garmoks im Besonderen. Gimbar hätte den Abschied sicher noch eine Weile in die Länge gezogen – nicht nur, weil er die Ehrerbietung genoss, die ihm diese Menschen entgegenbrachten, sondern auch, weil ihm der bevorstehende Flug ganz und gar nicht geheuer war –, aber Yonathan drängte zum Aufbruch. Er hatte noch einmal mit Garmok gesprochen und der Drache hatte ihm versichert, dass sie den Garten der Weisheit noch am Abend erreichen könnten, wenn man nur früh genug aufbräche.
    Der satte grüne Saum des Großen Waldes rückte bald in den Hintergrund und machte der sommergelben Steppe Platz. Die Landschaft zog

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