Isau, Ralf - Neschan 03
alles stimmte, was Yonathan über seinen Freund erzählt hatte – der grüne Körper war biegsam, faltig, unbehaart und nackt, die beiden Hände wiesen je sechs Finger, die Füße ebenso viele Zehen auf und offenbar zeichnete sich auch sein Wesen durch Gutmütigkeit, Humor und Weisheit aus –, fühlte er sich doch regelrecht überwältigt von dieser neuen Bekanntschaft.
»Ich freue mich ebenfalls«, erwiderte Gimbar, während er den Behmisch unentwegt anstarren musste. »Das mit der Freundschaft wird schon klappen – wenn ich mich erst einmal an dich gewöhnt habe.«
»Dein Freund scheint ein sehr zurückhaltendes junges Mann zu sein«, bemerkte Din-Mikkith zu Yonathan und Gimbar erinnerte sich, dass der geschlechtslose Behmisch zwischen männlichen und weiblichen Dingen nicht unterscheiden konnte und es ihm deshalb manchmal schwer fiel die richtigen Worte zu finden.
»Das täuscht«, erwiderte Yonathan grinsend. »Gimbars Mundwerk kann sehr beweglich sein. Dein Anblick hat ihn im Augenblick nur etwas verschreckt. Aber das gibt sich.«
»Hat er etwas gegen Wesen, die keine Menschen sind?«
»Im Gegenteil, ich habe erlebt, dass er sich sogar mit Squaks angefreundet hat.«
Din-Mikkith kicherte. »Ich habe von ihnen gehört.« Er drehte den Kopf beängstigend weit zu Gimbar herum. »Dann wirst du dich bestimmt gut mit Girith vertragen. Rotschopfs Gefieder dürfte jeden Squak vor Neid erblassen lassen.«
Gimbar erlaubte sich ein erstes zaghaftes Lächeln, während er Giriths Federkleid bewunderte, das, abgesehen vom roten Schopf, hauptsächlich in den Farben Hellblau und Grellgelb leuchtete. »Ein wirklich hübscher und putziger kleiner Kerl.«
Girith äugte zunächst vorsichtig zurück, plusterte dann stolz die Brustfedern und erklärte feierlich: »Din-Mikkith, liebes Din-Mikkith.«
»Es mag dich«, übersetzte der Behmisch.
Gimbar grinste. »Ich ihn auch. Er hat so eine erfrischende Art, große Gefühle in einfachen Worten auszudrücken.«
Din-Mikkith hatte einige Wurzeln ausgegraben, die Yonathan noch nicht kannte. Dazu gab es Pilze und das Mark einer pyramidenförmigen Frucht, das an den Geschmack von Lammfleisch erinnerte. Während Gimbar und Yomi an diesem Abend vor allem das Hungergefühl ihres Magens bekämpften, stillten Yonathan und Din-Mikkith ihren Durst nach Neuigkeiten.
Der Behmisch hatte vergleichsweise wenig zu erzählen. Er berichtete von einer glücklichen Heimreise am Ende des ersten gemeinsamen Abenteuers mit Yonathan und Yomi im Verborgenen Land. Eigentlich habe ihm damals nur die Durchquerung des Tals von Ha-Cherem Schwierigkeiten bereitet, da der Salzsee zu einem trüben Morast geworden war. Im Übrigen sei er nirgendwo auf eine Spur von Sethur gestoßen, den er ebenfalls für tot gehalten hatte.
Danach war sein Leben weitergegangen wie in den zweihundert Jahren vorher. Bis endlich vor acht Tagen ein Kea sein Baumhaus besuchte. Als Din-Mikkith mit dem grünen Papagei »sprach«, glaubte er zuerst verlernt zu haben sich mit den Lebenden Dingen zu verständigen. Zu verworren waren die Bilder. Wieder und wieder strich er mit den Händen über das Federkleid des Vogels – Girith verfolgte die ihm vertraute Prozedur mit der Geduld des Weisen und sprach dem Neuankömmling Mut zu –, aber das Resultat war doch immer dasselbe. Schließlich entschloss sich der Behmisch zum Aufbruch. Ein Bild hatte sich besonders stark in den Geist des gefiederten Boten eingegraben: die Höhle in der Nähe des Glühenden Berges.
So schnell wie möglich war Din-Mikkith nach Süden geeilt; manchmal ritt er auf dem Rücken von Galgonen, dann wieder bewegte er sich wie die Baumläufer fort, indem er sich von Ast zu Ast schwang; selten ging er zu Fuß, einige Jahre zuvor noch hatte er dies nur aus Rücksicht auf seine menschlichen Freunde getan. Und nun war er hier.
Yonathans Geschichte fiel dagegen umfangreicher aus. Er dankte Din-Mikkith noch einmal, dass er gekommen war, und gab zu, er selbst habe seiner Fähigkeit zum Gedankenaustausch mit den Lebenden Dingen kaum mehr Vertrauen geschenkt als der Behmisch bei der Ankunft des Kea. Als Yonathan von seiner Einsetzung in das neschanische Richteramt erzählte, musste Din-Mikkith lachen.
»Für mich stand vom ersten Tag an fest, dass du Geschan bist. Aber als du nicht darüber sprechen wolltest, war mir das auch recht. Vielleicht war ich für dich ja am Anfang auch nicht gerade das, was man sich unter einer vertrauenswürdigen Person vorstellt.«
Yonathan
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