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Isau, Ralf - Neschan 03

Titel: Isau, Ralf - Neschan 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lied der Befreiung Neschans Das
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Gesetz.«
    »Ich muss zugeben, diese Einrichtung hat durchaus praktische Vorteile«, warf Gimbar ein.
    Yonathan zupfte sich nachdenklich am Ohrläppchen. Nach einer Weile lächelte er zufrieden. »Erzähl mir mehr über die Gesetze eurer Gastfreundschaft, Yamina.«
    Die große Feuerstätte im Zentrum des Nomadenlagers warf bizarre Schatten an die umstehenden Zelte. Außerhalb des Lichtkreises hatte die mondlose Nacht alles in tiefe Dunkelheit getaucht. Es war beinahe Mitternacht, aber niemand schlief.
    Dem Feuer am nächsten saßen die Ältesten. Es folgte ein Kreis mit den männlichen Sippenmitgliedern und ein weiterer mit den Frauen und Kindern. Yonathan, Gimbar und Yamina waren in den ersten Ring geladen worden – die beiden Gefährten als stille Zuhörer, das Mädchen als Zeugin.
    Der Rat tagte bereits seit zwei Stunden über den einen Punkt: Was sollte mit Yamina und den beiden Fremden geschehen?
    Wie von ihr vorausgesagt, wollte man Gimbar und Yonathan die Gastfreundschaft der Sippe gewähren – für eine Nacht. Sandai Yublesch-Khansib persönlich hatte das Gesetz bestätigt. Der Zusatz »Khansib« nach dem Hauptnamen stellte eigentlich einen Titel dar und bedeutete so viel wie »Ehrenwerter Khan«. Der Onkel Yaminas war eine imponierende Erscheinung: Von der Statur her wie sein Drittgeborener, San-Yahib, verfügte er als Einziger seiner Sippe über drei ansehnliche Zöpfe, graue Pferdeschwänze, die den Schweifen seiner stolzen Steppenhengste an Länge und Fülle kaum nachstanden. Er war ungefähr fünfzig Jahre alt, dynamisch veranlagt und besaß ein gehöriges Maß an Klugheit, um nicht zu sagen Listigkeit.
    Als der Ehrenwerte Khan sich nun erhob, sah er sehr ernst und würdevoll aus.
    »Yonathan«, begann er umständlich, »der Ihr Euch Geschan, siebter Richter von Neschan, nennen lasst, hört nun unser Urteil.«
    Yonathan kannte es natürlich schon, er hatte ja der bisherigen Debatte zugehört.
    »Wir, der Rat der Ältesten, haben beschlossen, Euch und Eurem Gefährten, der sich Gimbar, Sohn Gims, nennt, bis morgen früh unsere Gastfreundschaft zu gewähren. Danach können wir Euch unseren Schutz nicht mehr garantieren. Ihr wisst, in welcher Lage sich unsere Sippe befindet: Wir leben am Rande des Drachenlandes, weil wir das geringere von zwei Übeln gewählt haben. Es ist viel Blut unter den Sippen geflossen; Yaminas Aussage belegt unsere eigenen Erfahrungen nur. Wir glauben, dass wir in diesen unheilvollen Zeiten hier, nahe am Drachenberg, noch am ehesten überleben können. Die meisten Ostleute fürchten das Ungetüm und meiden daher diese Gegend – wir sind hier also vor den Angriffen unserer feindseligen Brüder sicher. Zwar ist auch der Drache nicht ungefährlich, aber als wir vor vier Wintern schon einmal durch das Grenzgebiet des Großen Waldes zogen, stellten wir fest, dass diese Gefahr berechenbar ist, solange man sich vom Akeldama-See fernhält. Damals im Frühjahr sandte ich einen unserer Kundschafter zum Har-Liwjathan, dem Drachenberg, um festzustellen, ob der Drache dort noch sein Unwesen treibt. Als er zurückkam, schien er den Verstand verloren zu haben. Es dauerte sechs Wochen, bis wir aus ihm herausbrachten, was er dort gesehen hatte. Am Drachenberg geht Unheimliches vor sich. Der Wald ringsum ist tot, es gibt keine Tiere mehr und des Nachts leuchtet der Himmel über dem Berg in einem roten Licht. Ich persönlich glaube, dass der Wahnsinn, der jeden in der Ostregion zu übermannen scheint, mit diesem Berg zusammenhängt. Aber mir fehlen die Beweise dafür. Wir selbst spüren die Veränderungen natürlich ebenfalls. Die Menschen in unserer Gemeinschaft sind gereizt, ruhelos, es gibt häufig Streit. Aber niemand trachtet dem anderen nach dem Leben. Vermutlich hängt es mit der Geschichte unserer Sippe zusammen, dass sie dem Fluch des Berges widersteht – fast jedenfalls.«
    Yonathan hätte gerne gefragt, von welcher Geschichte Sandai Yublesch-Khansib sprach, aber die Höflichkeit dem Sippenführer gegenüber verbot es, ihn zu unterbrechen. Außerdem kam der Khan nun endlich zur Sache.
    »Ihr werdet also verstehen, dass wir niemandem trauen können, der nicht aus unserer Sippe stammt – ausgenommen Yamina natürlich, die auch das Zeichen trägt. Der Umstand, dass Ihr einen Stab bei Euch habt, der dem des Richters erstaunlich ähnlich ist, und dass Ihr übernatürliche Gaben besitzt, sprechen nicht wirklich für Euch. Der Stab könnte eine Fälschung und Eure Macht die des dunklen

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