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Isau, Ralf - Neschan 03

Titel: Isau, Ralf - Neschan 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lied der Befreiung Neschans Das
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Gimbar. In etwas größerem Abstand vom Zelt saßen einige Wachen am Boden, die sehr übernächtigt aussahen.
    »Was hat sie gesagt?«
    »Woher willst du wissen, dass ich mit ihr gesprochen habe?«
    »Yonathan. Wir kennen uns nicht erst seit gestern. Hast du vergessen, dass ich die Narbe, das Adlergesicht, auf der Brust trage? Du hast mir das Mal Haschevets aufgedrückt, als du mich vom Tode auferwecktest.«
    »Ich vergesse gar nichts…« Yonathan seufzte. »Entschuldige. Ich bin nervös und gereizt. Vielleicht ist es Bar-Hazzats Auge.«
    »Mag sein. Aber ich glaube eher, dass du etwas mehr Schlaf brauchst. Und nervös bist du wahrscheinlich, weil du gleich gegen den uns schon bekannten Riesen antreten wirst.«
    »San-Yahib? Woher weißt du…?«
    Gimbars Nasenspitze zuckte. »Ich konnte auch nicht besonders gut schlafen. Deshalb habe ich mich etwas umgehört. Du weißt doch, dass man mir nachsagt, ich sei sehr geschickt im Auskundschaften.«
    »Ja, allerdings.« Jetzt, nachdem er mit Yamina gesprochen hatte, konnte Yonathans Verstand wieder ungehindert arbeiten.
    »Warum bist du eigentlich so wild darauf, diesen Wettstreit auszufechten?«, fragte Gimbar. »Erst konntest du nicht früh genug diesen Drachenberg finden und jetzt, so scheint es, willst du dich bei diesen Ostleuten häuslich einrichten.«
    »Dafür gibt es einen einfachen Grund: Die Angehörigen dieser Sippe kennen die Gegend rund um den Akeldama-See so gut wie niemand sonst.«
    »Vom Drachen einmal abgesehen.«
    »Stimmt. Wir müssen uns wohl mit dem Gedanken anfreunden, dass dieser Wächter des Auges nicht bloß eine Gestalt aus den Legenden ist. Wenn es uns gelingt, das Vertrauen dieser Leute zu gewinnen, dann werden wir sicher auch einige Führer finden, die uns zum Drachenberg bringen. Ich gehe davon aus, dass wir mit dieser Hilfe den Zeitverlust leicht wieder aufholen werden.«
    »Vorausgesetzt, du gewinnst deinen Zweikampf. Ich weiß zwar, dass du ein fürchterlich gutes Gedächtnis hast, Yonathan, aber darf ich dich trotzdem darauf aufmerksam machen, dass die Ostleute berühmt sind für ihr Geschick im Umgang mit Dolchen?«
    »Du verstehst es wirklich, einem Mut zu machen, Gimbar. Vielen Dank.«
    »Keine Ursache. Dazu sind Freunde doch da.«
    Die ganze Sippe hatte sich eingefunden. In der Mitte des Lagers war von der Menge ein kreisrunder Platz ausgespart worden, ringsum standen die Ostleute in der gewohnten Ordnung: Zuerst kamen die Ältesten, dann die jüngeren Männer und schließlich, ganz außen, die Frauen und Kinder.
    Allgemeines Gesprächsthema waren die beiden Kontrahenten und ihre Gewinnchancen. Im freien Kreis befand sich Yonathan San-Yahib gegenüber, der ihn keinen Moment aus den Augen ließ. Der dritte Sohn des Khans vertrieb sich die Zeit, indem er seine Brust- und Armmuskeln spielen ließ.
    Sandai Yublesch-Khansib hob die Arme und sofort erstarb das allgemeine Gemurmel.
    »Wir haben uns hier versammelt, weil dieser Jüngling, der sich selbst Geschan, siebter Richter von Neschan, nennen lässt, unsere Gastfreundschaft angerufen hat. Er, von dem wir nicht wissen, wessen Diener er wirklich ist, hat sich ausbedungen die Waffen und die Kampfesart im Wettstreit der Prachtdolche zu wählen.
    Wir stellen dafür unseren besten Dolchkämpfer: San-Yahib, dritter Sohn des Sandai Yublesch-Khansib.«
    Yonathan fürchtete schon, die Ansprache des Khans würde den ganzen Vormittag in Anspruch nehmen, aber dann kam der Sippenführer doch recht schnell zum entscheidenden Satz.
    »So wähle denn die Art des Waffengangs, du, der du das Gastrecht beanspruchst.«
    »Ich werde Eurem Sohn, Ehrenwerter Khan, den Lederriemen vom Arm schneiden, ohne dabei seine Haut zu verletzen – mit einem einzigen Streich!«
    Das Gemurmel schwoll wieder an, lauter als zuvor. Offensichtlich war dies eine Disziplin, in der es den Ostleuten an der nötigen Erfahrung mangelte. Nachdem der Ehrenwerte Khan seine Sippe zur Ruhe aufgerufen hatte, konnte Yonathan fortfahren.
    »Wenn San-Yahib dieses Kunststück wiederholen kann, dann gebe ich mich geschlagen und werde mit meinem Gefährten und meinem Besitz noch vor der Mittagsstunde diesen Ort verlassen haben. Sollte San-Yahib aber den Riemen an meinem Körper nicht lösen können oder – was mir bei einem Krieger wie ihm als undenkbar erscheint – mein Blut vergießen, so wird Eure Sippe drei Esser mehr zu versorgen haben.«
    Yublesch-Khansib hob wiederum die Arme, um einem erneuten Aufbrausen der Menge zuvorzukommen.

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