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Isau, Ralf - Neschan 03

Titel: Isau, Ralf - Neschan 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lied der Befreiung Neschans Das
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zusprachen.
    Bei einem seltsamen Getränk aus vergorener Stutenmilch hätte sich der siebte Richter fast übernommen. Nur beherztes Umschwenken auf Wasser und verdünnten Dattelsaft rettete ihn vor einem Erwachen am anderen Tag mit dem berüchtigten »Stutentritt« im Kopf.
    Zwei Tage nach dem Dolchkampf brach ein kleiner Trupp von vierundzwanzig Reitern unter den anfeuernden Rufen der Sippe auf. Das Ziel war ein dunkler Streif am nördlichen Horizont. Obwohl alle wussten, was sich dahinter verbarg, bemühte sich doch jeder seine Gedanken auf andere, erfreulichere Dinge zu lenken.
    Yamina war die einzige Frau im Kreis der »Drachenjäger« – natürlich hatte Gimbar diesen Namen für sie erdacht. Zwar wollte Yublesch-Khansib anfangs nichts davon wissen »ein Weib mitzuschleppen«, wie er es ausdrückte, aber Yonathan verwies auf sein Recht selbst entscheiden zu können, was er mit seinem »Besitz« anfangen wolle. Dem hatte der Khan dann nichts mehr entgegenzusetzen.
    In Wahrheit wusste der siebte Richter selbst nicht so recht, warum er sie nicht bei der Sippe zurückgelassen hatte. Es wäre so bequem gewesen. Vielleicht lag es daran, dass Yamina ihn schon oft überrascht hatte – das Adlermal, das sie trug, war nur eines von vielen Beispielen hierfür. Jedenfalls hatte irgendein unbestimmtes Gefühl ihn veranlasst Yamina mitzunehmen.
    Sandai – der Khan bestand darauf, dass Yonathan ihn so nannte – erzählte seinen Gästen während des langen Ritts, wie es sich zugetragen hatte, dass sowohl er wie auch sein Bruder, Sinjan – Yaminas Vater –, das Mal trugen.
    Die beiden waren Zwillinge. Sinjan streckte bei der Geburt die Hand zuerst aus dem Mutterschoß und die Hebamme band ein Lederriemchen um das Handgelenk des Stammhalters, damit es später keine Verwechslungen gäbe. Dann aber zog der Winzling seine Hand zurück und ließ seinem Bruder, Sandai, den Vortritt. Bevor dieser aber ganz hervorgekommen war, packte der andere ihn an der Ferse und folgte direkt hinterher. Keiner der beiden konnte also allein für sich in Anspruch nehmen derjenige zu sein, »der zuerst einen Mutterschoß öffnet«, wie es in der Prophezeiung des Yehpas’ geheißen hatte. Somit erhielten beide auf wundersame Weise das Mal des Stabes.
    Jeder der einundzwanzig Ostleute betrachtete es als ein großes Vorrecht zu den Auserwählten zu gehören, die den Richter und den Zweimalgeborenen begleiten durften. Der genesene Leschem führte mit Sandai den Trupp an. San-Yahib und zwei weitere Ostleute bildeten die Nachhut. Yonathan hatte darauf gedrungen, dass der dritte Sohn des Khans an der Expedition teilnehmen durfte, und San-Yahib war dadurch zum glühendsten Verehrer des jungen Richters geworden. Der bullige Ostmann erwies er sich als ein Gewinn für die verschworene Gemeinschaft, man konnte sich ohne Einschränkung auf ihn verlassen.
    Am Ende des ersten Tages wurde das Lager in Bogenschussweite zum Großen Wald aufgeschlagen. Die flachen gelbbraunen Zelte duckten sich unauffällig ins Steppengras. Aus der Luft mussten sie so gut wie unsichtbar sein.
    »Wäre nicht gut, wenn der Drache uns früher als nötig bemerkt«, meinte San-Yahib dazu.
    Gimbar blickte finster auf die hoch aufragenden Bäume. »Ich bin für jede Nacht dankbar, die ich nicht in diesem Wald verbringen muss. Er ist mir nicht geheuer.«
    »Der Wald macht mir die geringsten Sorgen«, sagte Yonathan. »Viel unwohler ist mir bei dem Gedanken an den Akeldama-See. Ich habe keine Ahnung, was uns dort erwartet.«
    »Ich denke, du hast dich mit der Gabe des Gefühls im Geist Leschems umgeschaut.«
    »Leschem muss eine Grauen erregende Begegnung mit dem Drachen gehabt haben. Doch durch das Gefühl ist manchmal nicht alles zu erkennen. Ich kann nicht genau sagen, was er wirklich erlebt hat. Der Wächter des Auges wird für mich dadurch nicht berechenbarer. Aber warum hat eigentlich der Drache Leschem nicht getötet?«
    Seit langer Zeit meldete sich zum ersten Mal wieder Yamina zu Wort. »Vielleicht ist er nicht wirklich böse. Meine Mutter erzählte mir, dass er ein sehr altes Geschöpf sei. Alte Menschen sind ja auch manchmal verschroben. Sie tun Dinge, die man nicht erwarten würde. Aber deswegen sind sie noch lange nicht gefährlich.«
    »Immerhin sitzt er direkt auf dem Auge Bar-Hazzats. Du hast ja gesehen, was der Einfluss dieses Steins selbst bei Menschen anrichten konnte, die weit entfernt waren. Der Drache ist ständig seinem unmittelbaren Einfluss ausgesetzt. Er ist der

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