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Isau, Ralf

Isau, Ralf

Titel: Isau, Ralf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerry
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in Augenschein nehmen wollen. Diesmal hinderte ihn niemand daran.
    Durch einen der Zwischenräume über den Büchern blickte er auf eine weite Landschaft aus sanften grünen Hügeln, in der hier und da kleine Haine oder vereinzelt stehende knorrige alte Bäume zu sehen waren. Ein Schwarm schwarzer Vögel – größer als Spatzen, aber kleiner als Krähen – flatterte vorüber.
    »›Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?‹ Zum Schreibtisch, bitte sehr!« In heiterem Befehlston lenkte Albega seinen Transportmenschen zu einem Durchgang, der in das geräumige Bibliothekszimmer führte.
    Auch hier bestanden drei Wände aus Regalen, und Karl vermochte ungefähr sechs Meter über sich sogar die Decke zu sehen. Nahe der Außenwand durchbrach eine hölzerne Wendeltreppe den Boden, schraubte sich durch den Raum und führte in ein höher gelegenes Stockwerk hinauf. Das Zimmer war freundlich hell und übersichtlich möbliert. Karl entdeckte einen Ohrenbackensessel, der dem im Laden zum Verwechseln ähnlich sah. Von seinen früheren Erkundungsgängen kannte er bereits den Stuhl mit gebogener, niedriger Lehne und den Schreibtisch, auf dem eine Petroleumlampe und ein Tintenfass mit Papierstapeln um den knappen Platz konkurrierten. Nur die braune lederne Schreibunterlage bildete eine neutrale Zone im Durcheinander. Auf ihr lag ein einzelnes Pergamentblatt.
    Albega dirigierte seinen Transporteur zum Tisch und deutete vom Aktendeckel hinab auf den mit himmelblauer Tinte voll gekrakelten Bogen. »Du wolltest doch wissen, woher ich deinen Namen kannte. Lies das! Es dürfte dich interessieren.«
    Seinem Befehlston nach zu urteilen, fühlte sich der Bücherdrill zunehmend zum Lehrmeister berufen, der seinem Gesellen Anweisungen erteilte. Karl schluckte eine schnippische Antwort hinunter und machte sich an die Entzifferung der ihm nun schon etwas vertrauteren Schrift.
    Lieber Herr Koreander,
    in der Zwischenzeit haben Sie sich in meiner »geheimen Bibliothek« wohl schon ein wenig umgesehen. Ich möchte wetten, dass Sie auch bereits auf Albega gestoßen sind, den kleinen Tausendsassa, der Ihnen manche Frage über Phantásien im Allgemeinen und seine prächtige Bibliothek im Besonderen beantworten kann. Wenn Sie nun bis hierher gelangt sind, woran ich nie Zweifel hegte, und diese Mitteilung lesen, dann stecke ich vermutlich in größeren Schwierigkeiten. Sie dürften ja mittlerweile von den besorgniserregenden Auflösungserscheinungen in unseren verschiedenen Abteilungen erfahren haben (falls nicht, fragen Sie Albega). Ich muss unbedingt dieses für ganz Phantásien bedrohliche Phänomen erforschen, daher meine überstürzte Abreise, für die ich mich an dieser Stelle bei Ihnen aufrichtig entschuldige. Ich bedanke mich für Ihre Nachsicht und Ihren Einsatzwillen. Mein Laden ist nur für wenige eine Pforte in die Phantásische Bibliothek, aber vielen verfemten Büchern und ihren Freunden biete ich dort ein Refugium. Bevor ich Sie engagiert habe, lieber Herr Koreander, konnte ich diese Zufluchtsstätte nie lange allein lassen. Durch Sie hat sich das geändert. Ich konnte sehr schnell spüren, dass Sie – jemand, der Bücher am Geruch erkennt und mit Leichtigkeit den Weg ins geheime Bücherkabinett findet – ein würdiger Stellvertreter und Nachfolger für mich sind. Obwohl ich von jeher meine »innere Zeit« in Phantásien nach Kräften dehne – ein Jahr für einen Tag ist kein Pappenstiel –, musste ich in diesem besonderen Fall für alle Eventualitäten Vorsorgen. Falls ich von meiner Suche nicht zurückkehren sollte, braucht die Phantásische Bibliothek einen neuen Meisterbibliothekar. Schon immer bekleidet dieses Amt ein Menschenkind, Leider kann die Kindliche Kaiserin dieses nicht selbst auswählen. Ich habe ihr daher Sie als meinen Nachfolger vorgeschlagen, lieber Koreander. Die Goldäugige Gebieterin vertraut meinem Urteil und wird der Berufung gewiss zustimmen. Leider gibt es in Phantásien nicht nur gute, sondern auch böse Kräfte. Sollte das Treiben Letzterer für die oben erwähnten Auflösungserscheinungen verantwortlich sein, fürchte ich um Leib und Leben. Wenn ich scheitere, hängt die Zukunft der Bibliothek und ganz Phantásiens von Ihrem Einfallsreichtum und Mut, Ihrer Integrität und Entschlusskraft ab. Dann bleiben allein Sie als Retter.
    Für den nicht ganz abwegigen Fall, dass wir es hier mit einer Verschwörung böser Mächte zu tun haben, dürfte es sich als nützlich erweisen, zunächst deren

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