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Isau, Ralf

Isau, Ralf

Titel: Isau, Ralf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerry
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rennen wie ein Tausendbein und würdest trotzdem nur auf der Stelle treten. Wenn du den Nimmerberg nicht abtragen willst, was dich mehr als ein Leben kosten würde, dann meide ihn.«
    »Danke für den Rat. Scheinbar gibt es nur einen Weg auf die andere Seite des Amneme, und der führt oben drüber.« Karl streichelte Huschhuschs weiches Halsgefieder. »Hast du irgendeine Vorstellung, Knarrr, wie lange es dauern wird, bis mein Greif aufwacht?«
    »Och, nach Menschenmaß eine oder zwei Wochen, schätze ich.«
    Karl war wie vor den Kopf geschlagen. »So lange? Bis dahin ist dieser Waldschrat längst zurück.« Und meine Generalvollmacht bekomme ich auch nicht rechtzeitig unterschrieben!
    »Du könntest umkehren«, schlug Knarrr vor.
    »Das ist wohl die denkbar schlechteste aller Möglichkeiten. Sag mal, kennst du den Herrn, von dem Skrzat gesprochen hat?«
    »Nur aus seinen Selbstgesprächen. Muss ein Geschöpf sein, das man besser nicht reizt.«
    »Warum lässt dieser Herr Briefgreife abschießen?«
    »Vermutlich weil er nicht will, dass sie ihr Ziel erreichen.«
    Diesmal gönnte sich Karl eine Denkpause. Knarrrs schlichte Antwort enthielt eine simple Wahrheit: Irgendwo gab es jemanden, der über Herrn Trutz und seinen Stellvertreter genau Bescheid wusste und jede Maßnahme zur Rettung der Phantásischen Bibliothek zu vereiteln suchte. Aber wer konnte das sein? Karl war nahe daran, ein paar zusätzliche Steinchen über dem Nimmerberg abzuladen. Alles erschien so aussichtslos. Um hier wegzukommen, würde er Huschhusch wohl oder übel allein zurücklassen müssen, selbst wenn ihn der Gedanke schreckte, sie damit dem Waldschrat auszuliefern. Drei Wege führten zu Herrn Trutz und der ersehnten Unterschrift. Jeder von ihnen wurde durch eine Barriere versperrt. Welche sollte er in Angriff nehmen?
    »Worüber denkst du nach?«, fragte Knarrr.
    Karl ging wieder zu dem Wurzhold hinüber und blickte am Stamm empor. Mit einem Mal konnte er in der schrundigen Rinde ein Auge erkennen, dann ein zweites und auch eine knollige Nase sowie einen schiefen Mund. Karl seufzte. Plötzlich flammte eine Frage in seinem Kopf auf. »Ich nehme an, du stehst schon sehr lange im Wald des Vergessens?«
    »Nach Menschenmaß dürften es etwas mehr als tausend Jahre sein. Aber inzwischen sind meine alten Knochen ziemlich morsch und tun ständig weh. Ich vertrage diese vermaledeite Kälte nicht.«
    »Das kann ich gut nachfühlen. Was mich allerdings wundert, ist dein reger Verstand.«
    »Ich bin noch lange nicht verholzt, falls du darauf anspielen willst. Mein Grips ist frisch wie ein junger Spross«, erwiderte Knarrr verschnupft.
    »Davon bin ich überzeugt. Aber – selbst wenn du nur am Rand des Amneme wohnst, müsste das Vergessen dich doch längst in einen Narren verwandelt haben.«
    »Wir Wurzholde sind dagegen gefeit.«
    »Ach! Und warum?«
    »Wir sind zu langsam. Das Vergessen befällt nur hektische Wesen wie ...«
    »Wie mich?«, unterbrach Karl ungeduldig den gemächlichen Vortrag des Holdes.
    »Nein, wie Waldschrate. Menschen gehören aber gewöhnlich auch dazu.«
    »Das heißt, es gibt Ausnahmen?«
    »Ja, wenn du schläfst. Bist du ein ausdauernder Schlafwandler?«
    »Nicht, dass ich wüsste.«
    »Schade. In dem Fall hättest du einen Versuch wagen können.«
    Ein Rascheln ganz in der Nähe ließ Karl zusammenfahren. Der Waldschrat! Augenblicklich wurden seine Glieder wieder steif. Fast so schwerfällig wie ein Wurzhold drehte er sich zu dem Geräusch um. Und staunte.
    Durch das Geäst schob sich ein riesiger Kopf, auf dem mehrere Fortsätze saßen, die sich unablässig hin und her bewegten und dabei mal kürzer und mal länger wurden. Auf vier dieser »Fühler« konnte Karl im Mondlicht Augen erkennen. Während das Wesen mit einem merkwürdig trappelnden Geräusch zwischen den Blättern hervorglitt, schien sein Hals kein Ende nehmen zu wollen. Aber dann erschien das Haus.
    »Ach du liebes bisschen! Eine Schnecke?«, wunderte sich Karl.
    »Ein Riesenschleimling«, korrigierte Knarrr.
    »Klingt eher wie ein ekliger Pilz.«
    »Ist aber ein wandelndes Haus. Ich weiß auch nicht, wer sich das ausgedacht hat.«
    »Dieses Klopfen? Was ist das für ein Geräusch?«
    »Im Gegensatz zu mir besitzt Baldrian den Vorzug, sich auf Beinen zu bewegen. Er hat ein paar hundert von den Stummeldingern.«
    »Baldrian? Ihr kennt euch?«
    »Kennen ist vielleicht übertrieben. Baldrian hat den Verstand einer jungen Föhre. Wir grüßen uns, wenn er vorüberzieht,

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