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Isau, Ralf

Isau, Ralf

Titel: Isau, Ralf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerry
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Schwert hochreißen, um einen heransausenden Fangarm zu parieren, stellte aber verwundert fest, dass die Klinge ihn führte. In seiner Hand bewegte die Waffe sich schnell wie die Flügel einer Libelle. Im Nu war der Tentakel in feine Scheiben zerteilt. Der Angreifer zog sich kreischend und blutend bis zur Höhlenwand zurück.
    Diesen Augenblick nutzte Karl, um den Rückzug anzutreten. Mit Schwert und Scheide rannte er auf den rettenden Spalt zu, durch den ihm das Ungeheuer unmöglich folgen konnte. Fast schon hatte er ihn erreicht, als er hinter sich einen wütenden Schrei hörte. Karl hechtete mit ausgestreckten Armen nach vom und schaffte es irgendwie, durch das Loch zu fliegen, ohne im Geringsten anzuecken.
    Aber damit war die Gefahr noch nicht gebannt. Während er sich noch am Boden abrollte, schossen zwei weitere Fangarme durch das Loch. Einer schlang sich um Karls linkes Fußgelenk. Der zweite machte mit dem Schwert Bekanntschaft. Um ein gutes Stück gestutzt, zog er sich wieder zurück. Karl schrie vor Schmerzen auf, weil die Saugnäpfe des verbliebenen Fangarms sich regelrecht in sein Bein einzubrennen schienen. Mit brutaler Gewalt wurde er zu dem Spalt zurückgezerrt, hinter dem er eines der großen bösen Augen sah. Kurz bevor sein Fuß in das hungrige Maul gezerrt werden konnte, holte er mit dem Schwert aus, schnellte mit dem Oberkörper, als wäre er das Klappmesser, nach vorn und stach die Klinge in das glotzende Auge. Sofort ließ der Tentakel ihn los.
    Der Schrei des Ungeheuers war markerschütternd. Karl kroch von dem Spalt weg, aus dem sich eine klare Flüssigkeit ergossen hatte – vermutlich der Inhalt des verletzten Riesenauges –, rappelte sich auf das Schwert gestützt hoch und humpelte dem Ausgang entgegen. Erst als er wieder im Wandelgang war, gönnte er sich eine Verschnaufpause.
    Während er noch, das schmerzende Bein angewinkelt, an der Wand stand, wich das Strahlen aus seinem Schwert. Nun war die Klinge wieder rostig wie das Messer zuvor, der Griff nur ein altes Holzstück wie bei einem Kindersäbel. Ehe er sich's versah, sprang es in die Scheide. Karl schüttelte den Kopf.
    Zunächst musste er sich um sein verletztes Fußgelenk kümmern. Zum Glück schien nichts gebrochen zu sein. Aber da, wo die Saugnäpfe zugepackt hatten, war das Fleisch regelrecht aufgerissen. Weil er sich nicht anders zu helfen wusste, zog Karl Mantel und Jacke, Hemd und Unterhemd aus. Aus Letzterem machte er sich einen Verband, indem er es in passende Stücke zerriss. Als er wieder angezogen war, stand er vorsichtig auf. Das Bein schmerzte, aber er kam besser damit zurecht, als er es sich vor einem Tag hätte vorstellen können. Er schnallte sich das rostige Schwert um. Hätte er dessen wundersame Verwandlung nicht erlebt, würde er sich bemitleiden, so aber erfüllte ihn diese Waffe mit Stolz.
    Was nun? Unentschlossen humpelte er in Richtung Eingangshalle. Sollte er das Haus der Erwartungen verlassen? Dann würde er nie erfahren, wohin sich Herr Trutz von hier aus gewandt hatte. Und wenn er weitersuchte? In dem Fall würde er mit Sicherheit bald im nächsten Dreckloch landen.
    Er hätte aus der Haut fahren können, weil er keinen Ausweg fand.
    Als er durch eines der glaslosen Fenster schaute, schwante ihm nichts Gutes. Die Steinwüste war verschwunden. Jetzt sah Karl einen dichten Urwald, durch den Nebelschwaden trieben und Luftwurzeln die Sicht in senkrechte Scheiben zerteilten. Die anderen Lichtöffnungen zeigten denselben Dschungel. Anscheinend war dieser ummauerte Weg in sehr viel umfassenderem Sinne ein Wandelgang, als er es für möglich gehalten hätte.
    Aber dann sah er doch vor sich wieder das prunkvolle Portal. So schnell es ihm sein verletztes Bein erlaubte, humpelte er darauf zu, stieß die beiden Türen auf, stürzte hindurch und ...
    ... fiel in die Tiefe.
    Karl schlug hart auf dem morastigen Grund des Drecklochs auf. Seine Beine sanken sofort ein. Um ihn herum stank es nach Moder und ungesunden Dämpfen, und unter sich hörte er ein beunruhigendes Rumoren. Eigentlich hatte er sich etwas anderes erhofft, aber schlagartig wurde ihm klar, dass dieser neuerliche Alptraum haargenau seinen Erwartungen entsprach. Jetzt fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Das Haus trug seinen Namen nicht von ungefähr. Über dem Eingang hatte auch nicht gestanden: »Hier bekommst du, was du dir wünschst.«
    »Ich will aber nicht in diesem Dreckloch versinken«, presste Karl zwischen den Zähnen hervor und ruderte mit

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