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Isau, Ralf

Isau, Ralf

Titel: Isau, Ralf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerry
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Ziel?«, grübelte er, war aber selbst nicht recht von seiner Interpretation überzeugt. Eher schon vermutete er dahinter irgendeine Täuschung, die von der Schönheit dieser Halle in öde Sackgassen lockte. Um die Suche nach Hallúzina zu beginnen, musste er einen der Ausgänge wählen. Er entschied sich nach langem Zögern für das dem Vorbau direkt gegenüberliegende prunkvolle Portal, das von einladender Größe und mit zwei Türflügeln ausgestattet war. So brauchte er sich nicht zwischen rechts oder links zu entscheiden oder gar für eine ganz andere Tür, von denen es in unterschiedlichen Maßen, Farben und Ausgestaltungen noch mindestens ein Dutzend gab.
    Von der Eingangshalle gelangte er in einen Wandelgang mit gewölbter Decke. Ab und zu konnte er durch Lichtöffnungen eine Steinwüste ausmachen, jedoch war kein einziges der zahlreichen Nachbargebäude zu sehen. Der Gang mündete in eine Höhle. Karl war einigermaßen erstaunt. Nun hatte er von weitem prächtige wie auch bescheidene Behausungen erspäht, aber eine Höhle ...?
    Über den Boden zogen sich, wie Blitze am Nachthimmel, gezackte, vielfach verzweigte Risse, die orangerot leuchteten und für ein karges Licht sorgten. Vielleicht lag dieses Verlies – anders konnte man es nicht nennen – über einem Vulkan. Karl hielt sich von den glühenden Ritzen fern und untersuchte die schroffen Wände. Nirgends war die Spur eines Werkzeugs zu erkennen. Aber auf der anderen Seite sah er einen Spalt. Er lief zu der schmalen Öffnung, stützte sich mit den Händen auf beiden Seiten ab und steckte den Kopf hindurch.
    Vor ihm lag ein Höhlendom, mindestens so groß wie der weiße Kuppelbau und sogar annähernd rund. Karl zwängte sich mit vorgeschobener Schulter durch den Spalt. Wieder musste er Acht geben, um nicht mit dem Fuß in einen der vielen glühenden Risse zu geraten. Er schätzte die Höhe des Raums auf über dreißig Meter, seinen Durchmesser auf fast fünfzig. So beeindruckend die Ausmaße der Höhle auch waren, so wenig hatte sie sonst zu bieten. Nicht einmal einen weiteren Durchgang konnte er ausmachen. Karl seufzte. Er hatte sich von der Schönheit der Eingangshalle in diese öde Sackgasse locken lassen ...
    Seine Gedanken gerieten jäh ins Stocken. Hatte er nicht in dem Rundbau genau dasselbe gedacht? Ehe er sich über die Bedeutung dieser Übereinstimmung klar werden konnte, schleuderte ihn ein ohrenbetäubender Schrei in die Wirklichkeit zurück. Er fuhr herum, und ihm blieb das Herz stehen. Vor ihm stand ein vielarmiges Ungeheuer mit Fledermausflügeln, großen bösen Augen und einem hungrigen Maul. Es glich einem Tintenfisch, genauer gesagt einem Kraken, und war bleich wie eine Wasserleiche. Einer der saugnapfbewehrten Arme schlug nach ihm. Im letzten Moment konnte er zur Seite springen, behender, als er selbst es je für möglich gehalten hätte. Er rollte sich am Boden ab und war sogleich wieder auf den Beinen.
    Der fliegende Tintenfisch stieß erneut seinen schrillen Schrei aus. In Karls Hirn rotierte ein Mühlstein und zermalmte lauter leere Gedankenhülsen. Irgendwo musste es doch einen Ausweg geben. Wieder zuckte einer der Tentakel vor, aber Karl entkam ihm abermals. Er griff in die Hosentasche, holte sein Taschenmesser hervor und klappte es auf. Was für eine erbärmliche Waffe! Dabei war er überzeugt, dass es irgendwo in Phantásien – hier, wo die Grenzen wanderten, Himmelsrichtungen wechselten und sogar die Zeit sich dehnen ließ – auch einen Helden gab, der aus einem rostigen Klappmesser ein mächtiges Schwert machen konnte.
    Karl erschauderte. Nicht weil das Tentakelmonster wieder gegen ihn vorrückte, sondern weil sich das Messer in seiner Hand mit einem Mal veränderte. Zuerst begann es zu leuchten, bis es hell wie weißglühender Stahl gleißte – dennoch blieb es kühl. Dann wuchs es und wurde zu einem zweischneidigen Schwert, nicht sehr groß zwar, aber selbst die Bestie zeigte sich von dem Spektakel beeindruckt. Sie wich sogar ein Stück zurück. Erstaunt wog Karl das Schwert in seiner Rechten. Es war so leicht wie eine Feder. In der linken Hand hielt er eine Scheide, die immer noch so schäbig aussah wie das Futteral seines ehemaligen Taschenmessers, aber ebenfalls auf die Größe der Schwertklinge gewachsen war.
    Der fliegende Tintenfisch besaß wohl nicht genug Verstand, um sich der neuen Bedrohung bewusst zu werden. Nach dem ersten Schrecken über das gleißende Licht ging er wieder zum Angriff über. Karl wollte das

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