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Isau, Ralf

Isau, Ralf

Titel: Isau, Ralf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerry
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Armen und Beinen gegen genau dieses Schicksal an. Der bröcklige, stinkende Morast ging ihm schon bis zur Brust. Mach mich erwartungsvoll! Jetzt erkannte er die Tücke dieser Worte auf dem verlockend goldenen Schild an der Eingangstür. Kein Wunder, dass Albega diese Hallúzina eine Hexe geheißen hatte. Das Haus mästete sich mit den Erwartungen seiner Besucher – daher wohl auch die vielen unterschiedlichen Gebäude –, und am Ende verschluckte es sie in diesem Dreckloch ...
    Der stinkende Matsch kroch an Karls Hals empor. Er hatte aufgehört sich zu bewegen, um das Einsinken nicht auch noch zu beschleunigen (in irgendeinem Buch war er einmal auf diese Weisheit gestoßen). Die trübe Masse schien schon in seine Gehirnwindungen einzudringen – warum sonst konnte er keinen klaren Gedanken fassen?
    Nein!
    Mit einem Mal schoss ein Geistesblitz wie ein reinigendes Feuer durch sein Bewusstsein. Das hier konnte nicht die »übliche Verfahrensweise« mit Besuchern des Hauses sein. Er selbst hatte ja erwartet, in ein Dreckloch zu fallen, nur deshalb war es auch geschehen. Ebenso vorher: Die öde Sackgasse mit dem vielarmigen fliegenden Ungeheuer und selbst das Schwert, das jetzt nutzlos mit ihm im Schlamm versank – all das hatte sein Geist erschaffen, bevor es Gestalt annahm.
    Wie komme ich hier raus! Er wünschte es sich so sehr, aber offenbar waren Wünsche nicht dasselbe wie Erwartungen. Ein Kind mochte sich eine Uhr wünschen, aber trotzdem nicht ernsthaft erwarten, sie auch zu bekommen. Es muss doch einen Weg geben! Karl reckte den Hals und legte den Kopf nach hinten, damit ihm die zähe Brühe nicht in den Mund lief. Jetzt wusste er, was ein handfester Alptraum war.
    Als er die erste Ladung Morast schluckte, packte ihn die Panik. Das Leben schoss wie ein alter Stummfilm im Schnelldurchlauf an seinem inneren Auge vorbei. Er war ein Junge ohne richtige Kindheit gewesen, ein gescheiterter Student, ein Buchverkäufer ohne Laden – aber er konnte doch nicht hier und so enden, in diesem ganz und gar abscheulichen Alptraum ...
    Der Schlamm schloss sich über seinem Kopf zusammen. Nur die verzweifelt fuchtelnden Arme schauten noch hervor.
    Nein!, schrie Karl noch einmal im Geist, während er gegen das Bedürfnis ankämpfte zu husten, zu würgen und endlich wieder Luft zu holen. Nein, das war nicht möglich, nicht wirklich sein Schicksal. Nicht er ging hier unter, sondern irgendeine fixe Idee.
    Ich will endlich wieder der sein, der ich wirklich bin!
    Plötzlich stand Karl in einem kleinen, hellen, warmen Zimmer, dessen Wände, Boden und Decke ganz und gar aus Spiegeln bestanden. Er sank auf die Knie und hustete sich die Gedärme aus dem Leib.
    Nach einer Weile – er hatte den Boden inzwischen leidlich bekleckert – ging es ihm besser. Was war das nun wieder? Irgendeine neue Hexerei der Dame Hallúzina? Verwundert sah er an sich herab. Seine Kleidung hatte nicht den kleinsten Schlammfleck. Nur aus seinem Innern war der Dreck gekommen, mit dem er den Boden verschmutzt...
    Karl erhob sich verwundert. Der Raum war ein vollkommenes Sechseck. Wie eine Bienenwabe. Eine Spiegelwabe!, korrigierte er sich. An der Wand gegenüber sah er den jungen Mann, der ihm hinlänglich vertraut war: Karl Konrad Koreander in seinem abgetragenen, formlosen Fischgrätmantel, wie er leibte und lebte. Aber als er den Blick nach links wandte, erschrak er.
    Auch da stand unverwechselbar sein Spiegelbild. Es reagierte willig auf jede Bewegung der Arme oder des Kopfes – doch es war vierzehn Jahre zu jung. So hatte er als Knabe ausgesehen, der nach der Schule den Haushalt führen musste, weil die Mutter nicht mehr da und der Vater auf Arbeit war.
    Karl hob die rechte Hand vor sein Gesicht und zuckte unwillkürlich zusammen. Sie war tatsächlich klein. Eine Kinderhand.
    Rasch eilten seine Augen zu dem vertrauten Bild zurück. Erneut machte er die Handprobe und atmete erleichtert auf, als er wieder die vertraute Pranke sah. Nun wagte er einen Blick nach rechts.
    Dort gewahrte er einen alten Mann: schwer und untersetzt, mit Wurstfingern, einem roten Bulldoggengesicht, knollenförmiger Nase und albernen weißen Haarbüscheln über den Ohren, die der Glatze eine besondere Note verliehen. Nur die kleine goldene Brille hatte sich nicht verändert. In der Rechten hielt der Alte ein Buch mit kupferfarbenem Umschlag, und zwischen den Zähnen klemmte eine gebogene Pfeife, die Karl irgendwie bekannt vorkam. Er winkte, und der Pfeifenraucher in dem abgetragenen

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