Isau, Ralf
Älteren trafen.
Herr Trutz wandte sich wieder Hallúzina zu. »Da magst du wohl Recht haben, meine Liebe.« Er nickte bedeutungsschwer.
»Vielleicht kann ich euch doch helfen«, sagte sie unvermittelt. »Es gibt da einen Mann, der sich der Leichtigkeit verschrieben hat. Man erzählt sich, alles Massive sei ihm zuwider. Er soll flüchtige und vergängliche Dinge sammeln. Vielleicht weiß er, was es mit der Leere auf sich hat.«
»Nie von so einem Mann gehört«, brummte Herr Trutz.
»Er heißt Kumulus und ist der König von Wolkenburg.«
»Der Stadt, die seit Ewigkeiten durch Phantásiens Lüfte schwebt? Ich habe davon gelesen.«
»Ganz recht.«
»Das ist ja prächtig! Wir müssen sofort ...« Herr Trutz verstummte.
»Ich rechne demnächst mit der Ankunft von Huschhusch«, bemerkte Karl leise. Das Wir in Herrn Trutzens verstümmeltem Ausruf gefiel ihm nicht. Kleinlaut fügte er hinzu: »Falls der Waldschrat den Briefgreif nicht inzwischen am Spieß gebraten hat.«
Herr Trutz schüttelte ärgerlich den Kopf. »Das ist mir alles zu unsicher. Selbst wenn der Greif sich von dem Abschuss mit der Pfeilviper erholt, kann es noch ein paar Tage dauern, bis er eintrifft. Wir dürften keine Zeit mehr verlieren; irgendwie habe ich das im Urin. Außerdem meine ich mich zu erinnern, dass ein Briefgreif trotz seiner Schnelligkeit völlig ungeeignet ist, um Wolkenburg zu finden.«
»Wieso denn das?«
Hallúzina erklärte: »Weil man einem Briefgreif immer ein festes Ziel nennen muss, wenn Sie wissen, was ich meine.«
Herr Trutz nickte eifrig. »Wolkenburg ist das genaue Gegenteil davon. Man weiß nie, wo die Stadt sich gerade herumtreibt ... Ich wollte sagen, wo sie gerade durch die Lüfte schwebt.«
Karl schwirrte einmal mehr der Kopf. »Und was jetzt?«
In diesem Moment klopfte es an der Tür.
»Ist ja neuerdings wie im Taubenschlag hier«, grunzte Herr Trutz, der sich anscheinend in seiner Konzentration gestört fühlte.
»Ich sehe nach, wer da ist«, erklärte Hallúzina und lief zur Haustür.
Wenig später kehrte sie mit einer jungen Frau ins Kaminzimmer zurück. Die Fremde war kaum älter als zwanzig, schlank und um einen ganzen Kopf größer als die Hausherrin. Nicht gerade eine betörende Schönheit, aber doch auf eine natürliche Weise hübsch, fand Karl. Ihr rotes langes Haar gefiel ihm. Um ihre Nase herum tummelten sich Sommersprossen. Irgendwie wirkte sie auf ihn burschikos, was wohl nicht allein auf ihre Hose und die enge Jacke aus braunem Wildleder sowie auf die bis unter die Knie reichenden Stiefel zurückzuführen war. Ihr Gesicht, die Haltung, das ganze Auftreten zeugten von bewundernswertem Selbstbewusstsein.
»Da wäre ich dann«, begrüßte sie die beiden staunenden Männer. »Hat ein bisschen länger gedauert, aber jetzt kann's losgehen.«
»Wer sind Sie denn überhaupt?«, fragte Herr Trutz, hörbar unsicher, ob er nun barsch oder freundlich sein sollte.
Diejunge Frau an Hallúzinas Seite schüttelte den Kopf und verdrehte gleichzeitig die Augen. »Sagen Sie bloß, Sie haben mich nicht bestellt.«
»Vielleicht könnten wir die Angelegenheit klären, wenn Sie uns genau sagen, wer Sie sind und was Sie zu uns geführt hat, meine Liebe.« Der Vorschlag kam von Hallúzina.
Die Besucherin seufzte. »Na schön. Ich bin Qutopía, die Tochter von Querolat. Der Elfenbeinturm hat uns eine Nachricht zukommen lassen, dass hier unsere Dienste benötigt werden.«
»Der Auftrag kam doch nicht von der Goldäugigen Gebieterin persönlich?«, fragte Herr Trutz in ungläubigem Tonfall.
»Doch. Anscheinend wusste sie, dass hier jemand Hilfe braucht. Die Kindliche Kaiserin soll sehr krank sein, ganz starr vor Kälte.«
Das Bild eines kränklichen Mädchens in einem Spiegel huschte durch Karls Bewusstsein. Ihn fröstelte.
»Nichts für ungut, Gnädigste«, mischte sich wieder Hallúzina ein, »aber wäre es da nicht angebrachter, jemand Erfahreneren als ausgerechnet ein so junges – Sie wissen schon, was ich meine.«
»Eigentlich sollte ja auch mein Vater Querolat kommen. Aber die Seuche hat auch ihn erwischt. Sein Körper ist eiskalt, er kann sich nicht mehr richtig bewegen, seine Augen und Ohren sind fast zu von einer Kruste, die wie vertrockneter Eiter aussieht. Er kann kaum mehr sehen und hören – es ist furchtbar!« Qutopía versuchte tapfer zu sein, aber Karl sah, wie ihre Unterlippe bebte.
Hallúzina nahm sie in den Arm und tätschelte ihren Rücken. »Und wie sind Sie dann zu uns gekommen, meine
Weitere Kostenlose Bücher