Isau, Ralf
sich mitten unter den Visieren der schwarzen Panzerriesen.
Sein Pulvervorrat schrumpfte besorgniserregend rasch zusammen, und immer noch war kein Ende der Suche abzusehen. Trotzdem drängte er die Zweifel beiseite. Herr Trutz würde dem Skelett keine Gesellschaft leisten, die Phantásische Bibliothek keinesfalls zusammenstürzen. Und Weisenkind? Vielleicht lag sie irgendwo frierend in einem Bett und würde wieder auftauchen, sobald es ihr besser ging. Sofern es in seiner Macht stand, würde er die Kindliche Kaiserin von ihrer Krankheit heilen. Doch zunächst musste er die vermaledeite Falltür finden.
Als Karl die letzten Pulverkrümel auf seine Hand streute, drohte er dann doch zu verzagen. Er wagte stärker als zuvor zu blasen und heftete sich an die davontreibende Wolke. Bitte lass mich nicht im Stich!, flehte er abermals,
Plötzlich sanken die leichten Kräuterkörnchen rasch nach unten, zogen sich zu einer deutlich sichtbaren dunklen Fahne zusammen und verschwanden im Boden.
Karl musste sich beherrschen, um nicht vor Begeisterung loszuschreien. Leise ließ er sich auf beide Knie nieder und strich mit den Händen über die schwarze Falltür. Sie fühlte sich rau an, sogar Risse schienen darin zu sein, obwohl sie so glänzend aussah wie alle anderen Platten ringsum. Und jetzt? Wie bekam er das Ding auf?
Er holte das Magieskop aus der Tasche. Ja, es funktionierte prächtig, wie Herr Trutz sagen würde. Da war tatsächlich ein schwarzes Loch. Aus einigen Metern Entfernung hätte Karl es schon nicht mehr gesehen. Er glaubte Treppenstufen auszumachen, war sich aber nicht sicher. Nirgends ließ sich ein Hebel oder Knauf oder sonst ein Mechanismus erkennen, um den Deckel zu öffnen. Kein Wunder, machte er sich klar. Xayíde hatte das Lukending ja mit einem Zauber ...
Ein neuer Geistesblitz verhalf ihm zu der Einsicht, dass in diesem Gebäude allein der Wille seiner Herrin alles kontrollierte. Wieder konzentrierte er sich, wie er es zuvor im Schwebeschacht getan hatte.
Ich will zum Nox!
Die Worte waren die gleichen, die Wirkung nicht. Etwas stimmte nicht mit dieser Falltür. »Verflixt!«, zischte Karl.
Die Helme mehrerer Panzerriesen in der Nähe ruckten herum. Dein Mundwerk ist immer noch schneller als dein Verstand, schalt sich Karl, doch das nützte ihm nun auch nichts mehr. Die Ritterrüstungen kamen näher. Er war unsichtbar. Sie wussten nicht genau, von wo sie das einzelne Wort vernommen hatten, aber die grobe Richtung stimmte.
Hör endlich auf, anderen die Schuld an deinen Miseren zu geben, und lass dir etwas einfallen! Er hatte wirklich lange genug Straßenbahnschaffner und wehrlose Minutenzeiger als Ausreden benutzt, um sich seine eigenen Schwächen nicht einzugestehen. Aber damit musste nun Schluss sein. Ganz allein er hatte irgendetwas falsch gemacht. Aber was?
Einer der Panzerriesen war vielleicht noch zwanzig Schritte entfernt. Er kam jetzt direkt auf Karl zu. Der zermarterte sich das Hirn und ließ sich abermals Elsters Instruktionen im Eiltempo durch den Kopf gehen, von der Beschreibung des Schieferhangs bis zu der des Wächterpaars beim Nox.
Zehn Schritte.
Die Adamssöhne besäßen einen starken Willen, hatte er gesagt. Und könnten sogar Namen erfinden!
Ich will zum Nox durch deine Pforte, du Finstertor!
Sein Gedanke war eher ein lautloser Schrei der Verzweiflung, aber er zeigte augenblicklich Wirkung. Die Falltür namens Finstertor glitt nach unten. Dabei zogen sich ihre Ecken zur Mitte hin zusammen, erst langsamer, dann plötzlich sehr schnell. Die Luke war verschwunden. Alles hatte sich ohne den geringsten Laut abgespielt.
Fünf Schritte.
Karl sprang in das dunkle Loch.
Noch zwei.
Verbirg mich, Finstertor! Wie aus dem Nichts tauchte die Luke wieder auf und verschluss den Weg nach unten. Karl blickte durch das Magieskop empor und erschauerte. Über ihm ragte die riesige Gestalt der schwarzen Ritterrüstung auf.
Das Visier war hochgeklappt. Ein leerer Helm blickte sich nach allen Seiten um. Zuletzt sah er nach unten. Karl glaubte zu Stein zu erstarren.
Dann marschierte der Koloss scheppernd davon.
Das war knapp, Sportsfreund! Karl atmete erleichtert auf und sah sich in dem finsteren Loch um, in das er ohne lange nachzudenken gesprungen war. Erst als er das Magieskop zu Hilfe nahm, hellte sich seine Umgebung merklich auf, weil es die Falltür durchsichtig machte. Auf diese Weise konnte das fahle Licht aus der Halle nach unten dringen. Undeutlich erkannte er die Stufen, die er zuvor
Weitere Kostenlose Bücher