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Isau, Ralf

Isau, Ralf

Titel: Isau, Ralf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerry
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nur erahnt hatte. Sie waren kohlrabenschwarz. Es roch nach frischer Farbe. Vermutlich ließ Xayíde den Anstrich dieses Niedergangs regelmäßig erneuern, weil der Nox ihn immer wieder ausbleichte.
    Karl stieg hinab. Die Treppe war nicht besonders lang. Nach vielleicht fünfundzwanzig oder dreißig Stufen stieß er auf eine richtige Tür. Zum Glück war sie gut geölt. Leise schwang sie auf, und ein helles Licht umfing ihn. Rasch trat er hindurch und ließ die Tür hinter sich ins Schloss gleiten.
    Es waren zwei Paar Schuhe, über die Phantásische Dualität zu reden oder ihre Auswirkungen am eigenen Leib zu erfahren. Das grell strahlende Weiß überraschte ihn. Wie schon zuvor sah er auch hier nirgends eine Lampe. Es konnte nur der schwarze Stein sein, der alle Schatten aufsaugte. Erst jetzt begriff er wirklich, wie viel Licht in Phantásien sogar das Dunkel barg. Man musste nur die Finsternis herauslesen, um es sichtbar zu machen. Karl atmete tief durch und verfolgte kurz das helle Wölkchen, das seinem Mund entwichen war. Dann setzte er sich wieder in Bewegung.
    Jetzt war er seinem Ziel ganz nah. Irgendwo in dieser lichten kalten Tiefe erwartete ihn der Hort des Nox. Aber auch ein Paar schrecklicher Wächter.
     
      
      
      
     
     
DER NOX
     
     
    Das dunkle, vibrierende Pfeifen drang bis in die strahlenden Gänge hinab. Die Kraft des schwarzen Steins musste ungeheuerlich sein. Karl bewegte sich so leise wie möglich und versuchte sich die Anzahl der Abzweige einzuprägen, die
    er bisher genommen hatte: zwei rechts und einer links. Oder war es andersherum?
    Wieder stieß er auf eine Gabelung, die wie ein T aussah, wieder musste er eine Entscheidung treffen: links oder rechts.
    Er entschied sich für rechts, weil er glaubte, der stetige Luftstrom ziehe ihn in diese Richtung. Nun lief er durch einen
    breiten Gang. Wie in den vorhergehenden war die Decke gewölbt. Mauersteine oder Putz konnte Kari nicht entdecken.
    Xayídes Baumeister hatten offenbar die ganze unterirdische Anlage aus dem massiven Schiefergestein herausgehauen –
    vorausgesetzt, es war möglich, dass Schiefer so weiß wurde wie Kalk.
    Auf seinem Weg in die Tiefe legte sich Karl im Kopf alle möglichen Namen zurecht, die zu den zwei Wächtern passen
    könnten, aber irgendwie war er mit keiner Wahl zufrieden. Er konnte sie ja schlecht Hinz und Kunz nennen. In Phantásien
    war die Gabe der Menschenkinder gefragt, Namen zu erfinden, nicht die Fähigkeit, bereits benutzte aus einer Gedächtnisschublade hervorzukramen und wieder zu verwenden. Das konnten die Phantasier auch ganz gut allein. Wie die Mutter eines gewissen Drachenmädchens bewiesen hatte. Seltsam, dass Qutopía ihm ausgerechnet jetzt durch den Sinn ging. Einmal mehr verscheuchte er sie in einen warmen Winkel seines Bewusstseins. Dort konnte sie auf ihn warten, bis alles vorüber war.
    Nirgendwo im Gebäude hatte Karl den mysteriösen Luftzug, der sogar verschlossene Türen und Luken zu durchdringen vermochte und den ganzen Turm wie eine gigantische Hirtenflöte zum Erklingen brachte, so stark gespürt wie hier unten. Seine Rechte suchte und fand erneut den hölzernen Schwertgriff an seiner linken Seite. Vorsichtig, fast bettelnd zog er daran. Das Schwert steckte in der Scheide fest. Der Gang bog nun in einer lang gezogenen Kurve nach links ab. Karl hätte gern gewusst, wie tief Xayíde wohl noch hatte graben lassen, um ihren Schatz sicher zu behüten. Oder sollte er sich lieber fragen, wie weit sie den Nox in das Gestein verbannt hatte, um ihren Schwarzen Elfenbeinturm vor seiner Macht zu schützen? Mit einem Frösteln entsann er sich der lichten Aura, die den finsteren Dorn bis zur Spitze hinauf umgeben hatte. Und er wollte den Nox berühren, ihn durch halb Phantásien tragen. War sein Herz wirklich rein genug, um diese Aufgabe zu wagen?
    Unerwartet erblickte er vor sich ein Strahlen, gegen das die hinter ihm liegenden Gänge wie finstere Tunnel erschienen. Karl ahnte bereits, was das zu bedeuten hatte. Sein Herz begann heftig zu schlagen. Die Augen zu Schlitzen verengt, ging er vorsichtig weiter.
    Das grelle Licht kam aus einem quadratischen Durchgang von etwa drei mal drei Metern. In dem dahinter liegenden Raum sah Karl einen Quader aus Eis, vielleicht einen Meter sechzig hoch und so trübe, dass man nur an einigen Stellen hindurchsehen konnte. Darin eingeschlossen war eine menschliche Gestalt.
    Karl begann zu zittern, doch diesmal lag es nicht an der Kälte. Was für eine

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