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Isegrim

Isegrim

Titel: Isegrim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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Schäferhund erzählen, weil ich das Tier auf dem Truppenübungsplatz gesehen habe. Ich verabschiede mich, drücke mich an Trefflich vorbei zur Tür hinaus – und frage mich, was er um diese Zeit noch von meinem Vater will.
    Ma ist nicht im Wohnzimmer, als ich zurückkomme. Wahrscheinlich hat sie sich wieder in ihr Arbeitszimmer verkrochen. Auch gut – denn für noch mehr schlechte Stimmung fehlt mir die Energie.
    Von meinem Balkon aus habe ich einen guten Blick auf das von wildem Wein überwucherte Fachwerkhäuschen im Nachbargarten, das seit vielen Jahren leer steht und langsam in sich zusammensinkt. Drum herum Rosenbüsche, Brennnesselinseln, Beerensträucher und knorrige Obstbäume. Magische Abenteuer, hundertmal besser als das Nachmittagsprogramm im Fernsehen, haben dort drüben auf Alina und mich gewartet.
    Wieso ist sie mit Sievers mitgegangen, obwohl ihr das überhaupt nicht ähnlich sah? Er muss sie mit irgendetwas gelockt haben, dem sie nicht wiederstehen konnte, anders kann ich es mir nicht erklären. In Richtung Dorf führt der schmale Gartenweg zwischen den Grundstücken von Sievers und Kais Eltern entlang, wobei das riesige Grundstück von Sievers ein wenig abseits und eingebettet in einen breiten Waldstreifen liegt. Der Gartenweg wird kaum benutzt, vermutlich konnte Sievers Alina deshalb unbemerkt auf sein Grundstück locken.
    Tränen steigen mir in die Augen, auf einmal habe ich Mühe, normal zu atmen. Woher kommen plötzlich all die Erinnerungen an Alina und den Tag ihres Verschwindens? Warum vermisse ich sie so sehr – nach beinahe fünf Jahren?
    Vielleicht, weil das Vermissen die ganze Zeit unter der Oberfläche gelauert hat, direkt unter der Haut. Alina zieht sich wie ein Riss durch mein Leben, sie hat keinen Frieden, das muss es sein. Deshalb ruft sie sich in Erinnerung. Aber warum ausgerechnet jetzt? Seit dem Moment, in dem ich die Haarsträhne am Nest des Raubwürgers gefunden habe, drängt Alina sich immer wieder in meine Gedanken. Sie will gefunden werden. Und ich bin inzwischen alt genug, um die Tür zu entriegeln, hinter die ich die Erinnerungen an sie gesperrt habe.
    Eine sirrende Insektenwolke tanzt auf meinem Balkon und Fledermäuse huschen wie lautlose Schatten ums Haus. Die Dämmerung verändert die Konturen der Bäume und Sträucher. Als ich einen letzten Blick auf das leer stehende Häuschen werfe, spüre ich auf einmal ein Kribbeln im Nacken. Steht die Haustür einen Spalt offen? War das eben auch schon so? Und hat sich dieses dunkle, kompakte Etwas hinter der löchrigen Gardine gerade bewegt oder steht dort nur irgendwelches Gerümpel?
    Du spinnst, Jola, sage ich mir und gehe zurück in mein Zimmer, wo Paul sich auf meinem Bett im Katerschlaf zusammengerollt hat und wo es keine undefinierbaren Schatten gibt.
    * * *
    Laurentia, liebe Laurentia mein, wann wollen wir wieder beisammen sein?
    Er steht vor dem Kellerregal mit dem Eingemachten. Das Glas mit den bräunlichen Birnen liegt zerbrochen zu seinen Füßen. Der Duft von Zimt steigt ihm in die Nase, er durchdringt den muffigen Geruch von feuchtem Mauerwerk und eingelagerten Kartoffeln. Die Erinnerung ist ein Blitz, der in sein großes Dunkel fährt und es für Sekunden ausleuchtet.
    Zimtprinzessin .
    Wo bist du, mein kleiner Engel? Ich brauche dich. Ich will dich zurück. Ich muss dich doch beschützen. Deine zarte Haut, so weich und von diesem reinen Duft, der nur unschuldigen Kindern anhaftet. Du hast mir gehört, nur mir. Ich war dein Held am Tag und in der Nacht, wenn du vor Angst nicht schlafen konntest.
    Er hat sie verloren, doch er wird sie wiederfinden. Sie sind alle süß, aber nur eine ist die Richtige. Sein Engel, seine Zimtprinzessin.
    Laurentia, liebe Laurentia mein,
    wann wollen wir wieder beisammen sein?
    Am Dienstag!
    Ach, wenn es doch endlich schon Montag, Dienstag wär
    und ich bei meiner Laurentia wär, Laurentia!

5. Kapitel
    T ödlich gelangweilt schleppe ich mich am nächsten Tag durch den Unterricht, doch die Zeit kriecht wie eine Schnecke und die letzten beiden Mathestunden ziehen sich endlos in die Länge. Es ist warm und sonnig draußen, viel zu warm und zu trocken für Mitte Mai. Die Luft im Klassenzimmer ist verbraucht und stickig, was außer mir niemand zu bemerken scheint. Noch sechsundvierzig Tage bis zu den Ferien.
    Ich will hier raus. Ich will hier raus. Ich will hier

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