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Isegrim

Isegrim

Titel: Isegrim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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Hennenblick. Auch der alte Schlotter betrachtet mich mit verkniffenem Gesicht. Durch irgendetwas bin ich bei einigen Dorfbewohnern in Ungnade gefallen. Doch bevor ich dem Ganzen auf den Grund gehe, will ich erst einmal Saskia und Max Hallo sagen und meinen Rotwein trinken.
    Ich gehe weiter, bin schon fast an ihrem Tisch angelangt, als Benni Maul, der Enkel der alten Euchler, mir in die Seite läuft und ich einen Schwapp Bier und den halben Wein verschütte. Das meiste vom Rotwein landet auf meinem T-Shirt und in meinem Ausschnitt. Verdammt.
    Â»He, hast du keine Augen im Kopf?«
    Â»Hoppla.« Mit einem hinterhältigen Grinsen schiebt Benni seinen Bauch in Richtung Tanzfläche. Keine Entschuldigung. War das etwa Absicht?
    Â»Arschloch«, flüstere ich ihm hinterher.
    Total verunsichert stelle ich die beiden halb vollen Gläser auf dem Tisch ab.
    Â»Tut mir leid, Sassy«, stammele ich. »Ich hoffe, der Rotwein geht wieder raus. Das war Absicht … das war Benni … der Idiot.«
    Saskia fischt in ihrer Tasche und reicht mir ein Päckchen Papiertaschentücher. »Na, wer war es denn nun?«, fragt sie grinsend. »Absicht oder Benni?«
    Das ist ihre Art, mich aufzuheitern, aber diesmal funktioniert es nicht.
    Â»Die spinnen doch alle«, schimpfe ich, während ich meinen Ausschnitt trocken reibe. »Schlotter hat mich beim Ausschank komplett ignoriert, die Eier-Euchler hat mich ›Nestbeschmutzerin‹ genannt und Benni schüttet mir meinen hart erkämpften Rotwein in den Ausschnitt.«
    Â»Tja«, meint Saskia mit einem Achselzucken, »willkommen hinter der Fassade der Scheißidylle von Altenwinkel.«
    Ich schnappe mir das halb volle Glas Rotwein, leere es in einem Zug und sehe einen nach dem anderen fragend an. »Was, verdammt noch mal, ist hier eigentlich los?«
    Â»Was soll schon los sein?« Kai ist genervt. »Gernot hat Stress, die Euchler spinnt und Benni Maul ist ein Trampel, das wissen wir doch alle.«
    Saskia wirft Kai ihren Das-glaubst-du-doch-selber-nicht-Blick zu. »Tja«, sagt sie, »so ist das eben auf dem Dorf. Wenn man etwas macht, das den Leuten nicht passt, bekommt man es zu spüren.«
    Â»Was habe ich denn Furchtbares verbrochen?«, frage ich entgeistert. »Einen Rock angezogen?«
    Â»Du kapierst es nicht, oder?« Saskia schüttelt den Kopf. »Das hat eindeutig was mit Marie Scherers Zeitzeugenbericht und der Geschichte von dem gemeuchelten Soldaten zu tun.«
    Â»Was?« Ich kapiere tatsächlich nichts mehr. »Wieso das denn?« Ungläubig sehe ich Saskia an, dann wandert mein Blick zu Kai, der auf die klebrige weiße Wachstuchtischdecke starrt.
    Â»Na, ist doch klar wie Kloßbrühe«, sagt Saskia. »Referendarin Uta Geppert, geborene Schlotter, sitzt in der Prüfungskommission, die unsere Projektarbeit abnimmt. Das war am Donnerstag. Zu Pfingsten kommt sie nach Altenwinkel, um ihren Eltern in der Kneipe zu helfen, und erzählt ihnen brühwarm, was du von Marie erfahren und aufgeschrieben hast. Der alte Schlotter hat damals den toten Ami gefunden und ist mit ein paar Männern zur Scheune gelaufen, in der der Pole schlief. Vielleicht war er gar nicht weg, als sie ankamen. Vielleicht haben sie ja kurzen Prozess mit ihm gemacht.«
    Â»Und nun bin ich die Böse, die die Leiche aus dem Keller geholt hat?« Ich schlucke.
    Â»Unser schönes Dorf – eine Mördergrube«, bemerkt Max, der zwei leere Biergläser vor sich stehen hat und schon Einiges intus zu haben scheint.
    Â»Anscheinend glaubst du immer noch, dass in Altenwinkel nur freundliche Menschen wohnen.« Saskia schüttelt den Kopf. »Träum weiter, Jo.«
    Â»Kai?« Ich blicke zu ihm, in der Hoffnung, dass er gleich eine seiner blöden Verrenkungen macht und uns mit einem Witz zum Lachen bringt.
    Fehlanzeige. Lahm hebt er die Schultern. »Kann schon sein, dass Sassy recht hat. Ich hab euch ja gleich gesagt, lasst die Finger von der Geschichte.«
    Na toll. Dicke Rauchschwaden ziehen durch den Saal, die Luft ist verbraucht und die Blaskapelle spielt: So ein Tag, so wunderschön wie heute …
    Â»Ihr seid erledigt«, meldet sich Max. »Ihr habt das Gesetz der drei V gebrochen.«
    Â»Wie?«, fragen Saskia, Kai und ich aus einem Munde.
    Â»Vorbei, vergessen, Vergangenheit. Das Gesetz der drei V. Die typische Verdrängungsmentalität der Nachkriegsgeneration.«
    Saskia

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