Isenhart
Schornstein ab, die Wände begannen die Wärme zu speichern, die Isenharts Ofen spendete. Und die Fensterläden hielten die Wärme im Raum.
Nach und nach nahmen sie auch alle anderen Räume in Angriff, besserten die Wände aus, verlegten Dielen über dem kalten Erdboden, knüpften Decken und dichteten das Dach ab.
Und so fuhren sie fort mit den Nebengebäuden, der Scheune und einem Anbau, der früher den Bediensteten als Unterkunft gedient hatte. Sie ernährten sich hauptsächlich von den Eiern, die Henricks Hühner abgaben, und den Lieferungen, die Simon Rubinstein ihnen zukommen ließ: Essensabfälle, nach denen die Bettler in Spira sich die Finger leckten. Auch Walther, der sein Gut in Tutenhoven bezog, ließ ihnen Nahrungsmittel zukommen. Zudem entwickelte Marie sich zu einer vorzüglichen Anglerin, und als sie im ersten Jahr eine lächerlich kleine Menge an Korn einfuhren, das sie im Frühjahr ausgesät hatte, buken sie immerhin ihr erstes eigenes Brot.
Konrad war in dieser Zeit keine Hilfe. Er hütete das Lager, sein Körper hatte etliche Pfunde verloren. Hier zahlte sich seine Robustheit aus. Einen Mann von Isenharts Gestalt hätte das Fieber längst zugrunde gerichtet.
Mal verbesserte sich Konrads Zustand und er konnte sogar aufstehen, mal verlor er rapide an Gewicht und seine Haut nahm ein verschwitztes Kalkweiß an.
Konrads Wunde, die sich einschwärzte, verlangte nach Walthersganzer Kunstfertigkeit. An den Wundrändern starb die Haut ab. Walther begegnete den Widrigkeiten mit immer neuen Kombinationen aus Kräutern und Desinfizierungen. Gelöschten Kalk, Branntwein und Rosenwasser setzte er den Entzündungen entgegen, die sich ihm stets aufs Neue in Form eines wässrigen Gelbs widersetzten. Als diese Absonderungen keine feinen Blutfäden mehr in sich trugen, atmete der Gelehrte auf – die Gefäße waren endlich verheilt.
Zu diesem Zeitpunkt stand Isenharts ehrgeiziges Projekt kurz vor der Vollendung. Mithilfe der beiden Mädchen – sie waren ja eigentlich schon keine mehr, Marie hatte mittlerweile auch zu ihrer Sprache zurückgefunden – und Hieronymus hub er einen fünf Fuß tiefen Graben rund um das Anwesen aus. Mit Schaufeln und Hacken waren sie dafür von morgens bis abends auf den Beinen.
»Hoffentlich ist das nicht umsonst«, merkte Sophia erschöpft an.
»Isenhart hat sich schon etwas dabei gedacht«, nahm Marie ihn in Schutz.
»Der Allmächtige hat den Lauf des Flusses bestimmt«, sagte Vater Hieronymus, »wie wird er wohl darüber denken, dass ein Sterblicher ihm in seine Vision pfuscht?«
»Er wird sich freuen, dass seine Schöpfung den Kopf benutzt, den er ihr mitgegeben hat«, entgegnete Isenhart und ließ die Spitzhacke in den Boden fahren.
Am Ende hatten sie vom Rhein aus eine lange Schneise durch den Wald und in einem engen Bogen um die Gebäude von Heiligster herumgeschlagen, der in einer Geraden wieder zurück zum Fluss führte.
Zur Einweihung des Wassergrabens in spe schritten sie gemeinsam zum Rheinufer. In einer Entfernung von dreißig Fuß hatte Isenhart einen Schieber aus massivem Holz entwickelt und mit einem tiefen Halt im Boden versehen, der es ihnen ermöglichte, die eintretende Wassermenge ganz nach ihren Bedürfnissen zu regulieren.
Er blickte in drei Gesichter, denen die Skepsis in den Mundwinkeln hing, als er zum entscheidenden Schlag ausholte. Isenhart beschloss, sich davon nicht die Laune verderben zu lassen, und beseitigte mit drei, vier Hieben der Spitzhacke den Rest an Erde, der den leeren Wassergraben vom Rhein trennte. Das Flusswasser liefin eine Mulde, die er in den Grund getrieben hatte und die sich jetzt füllte. Der Wasserpegel stieg an und floss als dünnes Rinnsal in den Wassergraben, um dort wenige Fuß weiter zu versiegen.
Plötzlich war Marie zur Stelle und ging ihm mit einer Schaufel zur Hand. Das Wasser schoss aus dem Fluss in den Graben, entfachte dabei einen Sog, der mehr und mehr Wasser nach sich zog, donnerte mit zunehmendem Tempo den Graben entlang, umrundete Heiligster in der vorgezeichneten Bahn und ergoss sich am Ende wieder in den Fluss, aus dem es stammte.
Einige Augenblicke lang standen sie alle in einer Mischung aus Staunen und Ehrfurcht vor der künstlichen Bewässerung, die Isenhart ersonnen und mit ihrer Hilfe umgesetzt hatte. Niemand musste mehr schwere Wassereimer vom Rhein bis zu ihrer Behausung tragen, es reichte, einfach vor die Tür zu treten.
Die praktische Umsetzung hatte den Beweis für die Richtigkeit von
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