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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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hielt sie ein wenig und küsste sie dann auf den Mund. Ganze Augenblicke lang ließ er seine Lippen auf den ihren ruhen, bevor er wieder absetzte.
    Das Lächeln, das die Frau ihm schenkte – Isenhart spürte einen irrationalen Neid in sich aufsteigen –, war von einer göttlichen Vollkommenheit. Und entschädigte für jedes Wagnis.
    »Wie ist Euer Name?«
    »Henning von der Braake.«
    »In jedes Nachtgebet werde ich Euch einschließen«, versprach sie und wandte sich ab.
    Die Nächstenliebe manifestierte sich in allerlei Formen, ihre Krönung aber bestand in dem Kuss eines Leprakranken. Henning kehrte zu seinem Pferd zurück, sein Lächeln war in sich gewandt.
    Christian der Frohe hob zum Abschied die Hand, bis sie hinter einer Wegbiegung verschwanden und Kurs auf Hambach nahmen. Obwohl sie ihn nicht mehr sehen konnten, war Isenhart sicher, dass noch immer ein Lächeln auf seinem Gesicht stand.
    Abgesehen davon, dass sie Hambach auf ihrem Weg zurück nach Spira umgingen und so den Wegelagerern auswichen, die dort auf sie und ihren Rubin warteten, hatte ihre Reise unter keinem guten Stern gestanden. Aberak von Annweiler war seit zehn Jahren tot. Einen Wiedergänger zogen sie zwar in Betracht, und vielen ihrer Mitmenschen mochte diese Erklärung vielleicht sogar als die einzig mögliche erscheinen, allerdings waren sie von dieser These wenig überzeugt.
    Sie beide brannten nicht darauf, sich mit einem Draugr zu messen. Aber vor allem ihr Verstand sagte ihnen, dass sie einen Mann suchten, der die Identität Aberaks von Annweiler für seine Gräueltaten angenommen hatte.
    »Er war hier«, stellte Henning fest, »er war in Eußerthal. Vielleicht kannte er von Annweiler.«
    »Warum?«
    »Er könnte sich einen Namen ausgedacht haben«, antworteteHenning, »den Namen eines Mannes, der gar nicht existiert. Das hat er aber nicht. Die Frage ist: Warum?«
    »Und die Antwort?«
    Henning warf Isenhart ein wissendes Lächeln zu, das dieser im Zuge ihrer Reise zu deuten gelernt hatte. Der neu gewonnene Freund war der Meinung, Isenhart sei in der Lage, seine eigene Frage zu beantworten.
    »Zwischen dem Mörder und Aberak von Annweiler muss es eine Beziehung geben.«
    Henning nickte. Genau das hatte er gemeint.

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16.

    berak von Annweiler nagte sich in ihre Köpfe.
    Ob sie ritten, aßen, einschliefen oder aufwachten, stets begleitete er Isenhart und Henning. Er war wie ein Nebel, der jeden Blick, jede Bewegung eintrübte, und näherten sie sich ihm, griffen sie in ein Nichts. Unfassbar und doch gegenwärtig.
    Zurück in Spira, das sie Ende August erreichten, unterrichteten sie Günther und Konrad von ihrer Reise, um festzustellen, dass beide zwar Anteil nahmen, um dann aber unverrichteter Dinge wieder ihrer Arbeit nachzugehen. Konrad ließ sich für den Wachdienst einteilen, und Günther von der Braake mixte Kräuter.
    Die beiden erwähnten es mit keinem Wort, aber die Suche nach Aberak von Annweiler war für sie abgeschlossen. Sie sperrten den Nebel einfach aus ihren Gedanken.
    Henning und Isenhart hingegen hatten an seinem Grab gestanden, sie konnten ihn nicht mehr abweisen. Er hatte sich schon in ihren Geist eingenistet, um mit jedem ihrer Gedanken mitzuschwimmen.
    Wozu das Herz?
    Ein Mann ging um, der Anna und Lilith das Herz herausgerissen hatte. Er war rothaarig und einarmig. Und – zumindest galt das beim Mord an der Wirtstochter – er hatte die Identität von Aberak von Annweiler angenommen, der er nicht war, denn von Annweiler war tot. Der Mörder hatte seine Spuren verwischt und bot ihnen keinen Anhaltspunkt. Sie tappten buchstäblich im Dunkeln.
    »Ich möchte dir jemanden vorstellen«, sagte Isenhart zu Henning, »einen ausgesprochen klugen Kopf.«
    Tutenhoven lag eine Meile westlich von Spira. Henning und Isenhart folgten dem gleichnamigen Bach, der in den Pfälzer Bergen entsprang und in den Rhein mündete.
    Sein Vater hatte Walther von Ascisberg dieses Stück Land vererbt, das mit seinem stattlichen Wohnhaus aus Stein, den Stallungen und dem Gesindehaus sowie den umliegenden Ländereien, die emsig bewirtschaftet wurden, dem Stand eines Mannes aus niederem Adel entsprach.
    Dreizehn Leibeigene waren Bestandteil dessen, was vom Vater an den Sohn überging. Als Walther das Gut Tutenhoven übernahm, stellte er die Leibeigenen frei, eine Geste, die alle anderen Gutsherren rund um Spira als widersinnig empfanden – wer sollte die anstehende Arbeit verrichten?
    Drei gingen, der Rest blieb. Isenhart war selbst

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