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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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Tagesablauf dem einer gewöhnlichen Bäuerin glich, hatte sie sich den vornehmen Teil ihres Wortschatzes und Umgangs erhalten.
    Henning musste unwillkürlich lächeln, so viel Anmut war ihm lange nicht mehr begegnet.
    »Wo ist Konrad?«, fragte Isenhart.
    »Angeln – mit Marie.«
    »Gut, wir sehen nach ihm, er wird Augen machen.«
    » Mit Marie «, betonte Sophia und weitete die Augen, sosehr sie konnte. Isenhart ahnte, was sie ihm signalisieren wollte. Etwas, was alle erwartet hatten, was längst überfällig war, so überfällig, dass Isenhart schon gar nicht mehr damit gerechnet hatte.
    »Ah so«, brachte er hervor und fühlte sich unweigerlich an seine ersten Begegnungen mit Anna erinnert, bei der ihm anfangs auch nur ein zusammenhangloses Stammeln über die Lippen gekommen war. »Seit wann gehen sie denn … zusammen angeln? «
    »Seit ein paar Tagen«, antwortete Sophia.
    Isenhart nickte. Er musste sich so sehr mit dem Traum vom Fliegen beschäftigt haben, dass ihm die kleinen Gesten, die das Angeln gemeinhin ankündigten, entgangen waren.
    An Henning musste kein Wort gerichtet werden, er erfasste die Situation auch so. Sophias Blick richtete sich auf ihn. Einen flüchtigen Wimpernschlag nur.
    Sie passen zusammen, dachte sie, während sie zu dritt weiter den Stall ansteuerten. Isenhart und Henning fühlten sich in der Gesellschaft des anderen wohl. Daher wirkten sie wach, beinahe aufgekratzt. Es umgab sie ein Knistern, das sich unsichtbar durch die Luft fortpflanzte und auch Besitz von ihrer Umgebung ergriff. Sophia spürte es als Erste.
    Was weniger wunderlich erschien, wenn man in Betracht zog, dass sie von ihnen geträumt hatte, verwoben in einer Schlacht, einem Knäuel an Menschen, mittendrin vor Todesangst brüllende Pferde, Verstümmelte und Sterbende am Boden, einige ganz ruhig, andere richteten ihre letzten Atemzüge mit einem anklagenden, schmerzhaft hellen Kreischen an die Welt: Henning, der schützend einen Schild hob, auf den ein Schwert niederfuhr, und Isenhart, der mit Blut besudelt gegen drei Männer in fremder Rüstung denKampf seines Lebens auszufechten schien. Um alles in der Welt wollte er zu Henning vordringen, und um alles in der Welt war alles, was Knochen, Sehnen und Muskeln aufzubieten imstande waren, nicht genug.
    An dieser Stelle war sie erwacht. Und wie sie Walther von Ascisberg damals in Bruchsal zu erkennen gegeben hatte, wusste Sophia, dass dieser schwere Tag kommen und kein Traum bleiben würde. Doch war er noch einigermaßen fern. Isenhart trug keinen Bart mehr in diesem Traum.
    Die Nähe der beiden, die sie zum Stall führte, durchkreuzte überdies ihre Pläne.
    Nach Isenharts Zurückweisung am Rheinufer hatte Sophia sich fest vorgenommen, sich während seiner Anwesenheit in Heiligster in allen Belangen rar zu machen. Sie war nicht etwa angetan von diesem Kerl, der schmal war und staksig ging, der in Gedanken überall und nirgends beheimatet schien, bloß nie im Hier und Jetzt. Sicher, er hatte schöne Augen, die ihren Blick direkt ins Herz zu richten vermochten, umgeben von langen Wimpern.
    Aber wer war er schon? Ein Schmied, der nach Esse roch und Schweiß, mit einem ebenmäßigen Gesicht, aber davon hatte sie schon schönere gesehen, Dolphs etwa, und der war – Gott hab ihn selig – ein Kretin erster Güte gewesen.
    Isenharts Mund war weich und sinnlich, Marie hatte das gesagt, und da war etwas dran, aber man konnte ihn auch weibisch nennen. Außerdem klappte ihm beim Denken hin und wieder die Kinnlade hinab, was ihm einen verblödeten Ausdruck verlieh. Sophia hätte mühelos noch ein weiteres halbes Dutzend nachteilige Äußerlichkeiten aufzählen können.
    Doch keine von ihnen stahl seinem Geist die Freiheit.
    Alles, wonach Sophia dürstete, war, ihre Gedanken mit ihm zu teilen.
    Genau das hatte sie ihn spüren lassen wollen, um nun festzustellen, dass Henning von der Braake sich bereits der Position bemächtigt hatte, die sie einzunehmen gehofft hatte. Da konnte sie sich rar machen, so viel sie wollte, Isenhart hätte es sowieso nicht bemerkt.
    »Wer ist das?«, fragte er.
    Sophia folgte seinem Blick. Eine Gestalt kam, frisch gelegte Eiertragend, gebückt aus dem Hühnerstall. Sie trug einen Leinenumhang, der bis zum Boden reichte, und zog den Fuß nach. Die Haare waren schwarz und speckig, und als sie ihnen den Kopf zuwandte, bemerkte Isenhart, dass sie auf einem Auge blind war.
    »Das«, sagte Sophia, »ist Ursel.«
    Ursel bemerkte sie im gleichen Augenblick. Drei

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