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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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hinten in sie ein, und Ursels Stöhnen bereitete ihm tiefen Genuss, denn Mauleselinnen und Schafe übten diesbezüglich Zurückhaltung.
    Als Ursel sich einmal auf den Rücken drehen wollte, damit Henrick den Anblick ihrer vollen Brüste genießen konnte, ein anerkennender Blick, der ihren Stolz über die ansprechende Form ihres Busens bestätigen sollte, wendete er sie wieder auf den Bauch. Und als sie ihn später darauf ansprach, murmelte er etwas von »alter Gewohnheit«. Und schwieg sich ansonsten darüber aus.
    Henrick, der sich im Laufe der Jahre einige Marotten angeeignet hatte, war überzeugt davon gewesen, in diesem Leben keine Frau mehr zu finden. Und da er sie nicht gefunden hatte, hatte er sich damit abgefunden.
    Ursel dagegen hatte an der Seite ihres Vaters gelebt, weil niemand sie heiraten wollte, bis Thomas eines Morgens zusammengebrochen war. Der Tod ereilte ihn so schnell, dass er keinen Laut mehr über die Lippen brachte. Und seitdem hatte sie sich um sich selbst kümmern müssen. »Klumpfuß«, riefen die Bauernjungen ihr nach, und »Tränauge«. Was mitunter auch das andere Auge zum Tränen brachte.
    Heiligster und Henrick, der sie aus tiefstem Herzen verehrte, waren ihr großes Glück. Am dritten Tag, sie fütterten die Hühner, richtete er das Wort an sie: »Wir sollten heiraten.«
    Seiner Stimme hatte Henrick absichtlich einen schroffen Klangverliehen, was es ihm erleichtert hätte, bei einer Zurückweisung wenigstens ein Stück weit sein Gesicht zu wahren.
    Er verlor es nicht.
    »Wann?«, fragte Isenhart.
    »In zwei Monaten«, antwortete Sophia.
    Zwei schwarze Schatten flatterten über sie hinweg und verschwanden in einem Loch unter dem Dach im Mauerwerk des Haupthauses.
    Isenhart war sich unsicher, ob seine Augen ihn getäuscht hatten oder nicht. »Sie hatten Zweige in ihren Schnäbeln, oder?«
    Sophia nickte.
    »Bauen sie ein Nest?«, fragte Isenhart.
    »Ja.«
    Es war vielleicht nicht das Lächeln eines werdenden Vaters, das sich über Isenharts Lippen legte, aber zumindest das eines stolzen Onkels. Sogleich begutachtete er mit aller gebührenden Vorsicht die Brutstätte, die Gweg und Unnaba in einer Lücke zwischen Maueroberkante und Dach angelegt hatten.
    Aber die Arbeit der Raben würde vergebens sein, wie Isenhart nur zu gut wusste. Die Vögel brüteten nur bis in den Mai. Unnaba konnte eigentlich keinen Nachwuchs erwarten.
    »Klug gewählt«, vernahm er Hennings Stimme dicht hinter sich, »gefeit vor Greifvögeln, Ratten und Katzen.«
    Das Nest maß zwei geöffnete Hände und hatte die Form einer Halbkugel, die aus in mühevoller Arbeit ineinander verwobenem Reisig bestand.
    Unnabas Zetern riss ihn aus seinen Gedanken. Mit frisch gesammeltem Reisig im Schnabel wartete sie neben dem Nest und ließ sie nicht aus den Augen.
    »Sie kennt mich nicht«, erklärte Isenhart, »aber wenn sie sieht, dass Gweg mir vertraut, dann …«
    Ein Schatten verdunkelte kurz die Sonne, bevor der Rabe auf Isenharts Schulter landete und ihn mit seinem scharfen Schnabel zu traktieren begann. Isenhart duckte sich weg, Henning und er wichen zurück.
    Erst dann ließ Gweg von ihm ab, landete auf der Türschwelleunterhalb der Stelle, wo Unnaba mit dem Nestbau beschäftigt war, und beäugte ihn angriffslustig.
    »Gweg«, sagte Isenhart sanft, nachdem er sich gefangen hatte, und vollführte einen Schritt auf den Kolkraben zu. Doch Gweg stieß schrille Krächzlaute aus und flatterte mit den Flügeln, um dadurch den Anschein eines Vielfachen seiner Körpergröße zu suggerieren.
    Für die flüchtige Dauer eines Moments erfasste Isenhart Enttäuschung. Hatte er Gweg nicht vor den Katzen gerettet? Ihm den Flügel geschient und ihn während seiner Rekonvaleszenz durchgefüttert? Teilten Konrad und er nicht jede Beute mit ihm?
    Um dann zu realisieren, dass der Fehler auf seiner Seite lag. Gweg war kein Mensch. Ihn an menschlichen Werten zu messen, war dem Kolkraben gegenüber nicht recht. Gweg verteidigte seine noch ungelegte Brut. So wie jedes andere Tier auch, einschließlich des Menschen. Also wandte Isenhart sich um und führte Henning weiter in Heiligster herum.
    »Er wird bestimmt ein guter Vater«, stellte Isenhart leise fest. Hennings verwunderter Seitenblick entging ihm, nicht aber Sophia.
    »Ah, hoher Besuch«, hörten sie eine Stimme hinter sich und wandten sich um. Konrad und Marie kehrten vom Angeln zurück, in einem Holzeimer trugen sie fünf Rotaugen mit sich.
    Marie blieb stehen, ein zurückhaltendes, fast

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