Isenhart
durchquerten.
Dass man vielleicht noch einmal alles überdenken sollte.
»Es ist doch alles klar.«
Dass es mitten in der Nacht war.
»Das seh ich selbst.«
Dass es womöglich sinnvoll sei, sich ein paar Stunden Schlaf zu gönnen.
Konrad stoppte so abrupt ab, dass sie beide – Henning und Isenhart – in ihn hineinliefen. Konrads Augen schienen zu glitzern,er reckte den Kopf angriffslustig nach vorne. »Schlafen könnt ihr, wenn es vorbei ist. Oder von mir aus auch jetzt. Dann geh ich eben alleine.« Schnellen Schrittes eilte er weiter.
»Was ist denn in ihn gefahren?«, fragte Hinning verwundert.
Isenhart lachte, was Hennings Irritation nur steigerte. »Das ist eben Konrad«, antwortete er, »Aberak hat einen Unschuldigen auf dem Gewissen, der für seinen Mord an Anna von Laurin hingerichtet wurde. Und dafür wird er jetzt zahlen müssen. Und das nicht zu knapp.«
Das Frauenhaus, in dem die Hübschlerinnen ihrer Arbeit nachgingen, lag nicht etwa am Stadtrand vom Spira, sondern im Zentrum der Stadt. Aus dem zweiten Stock – Konrad wusste das – konnte man sogar den Dom sehen. Die Kirche im Heiligen Römischen Reich schob dem Treiben keinen Riegel vor. Ganz im Gegenteil. Das Frauenhaus in Spira war Eigentum der Kirche, die es wiederum an einen Frauenwirt verpachtete, damit sich der fleischliche Notstand der unverheirateten Männer nicht in Form von Notzucht an den ehrbaren Frauen entlud.
Das kleinere Übel, wie man es im Vatikan zu nennen pflegte.
Zu Vergewaltigungen kam es natürlich trotzdem – allerdings nicht im Frauenhaus, denn falls jemand über die Stränge schlug, bekam er es zuerst mit dem Frauenwirt zu tun und dann mit dem Gericht.
Zwar war der Zutritt Juden, Geistlichen und verheirateten Männern strikt untersagt, aber auch der Nachtwächter hatte eine Familie, die es durchzubringen galt. Bruno, der Frauenwirt, steckte ihm einmal in der Woche ein paar Pfennige zu, und dann überkamen auch den Nachtwächter regelmäßig Zweifel an der Striktheit dieses Verbots.
Konrad marschierte mit Henning und Isenhart im Schlepptau auf die Rückseite des Gebäudes zu, in dessen Zimmern noch Licht brannte. Sie durchquerten einen kleinen, ummauerten Hinterhof, in dem sich sechs Kreuze erhoben, bevor Konrad an der Hintertür klopfte.
Isenhart war erst einmal hier gewesen – und dann nie wieder. Der Rausch der Ekstase, den er mit Anna gekostet hatte, wollte sich bei ihm einfach nicht einstellen, wenn die jeweilige Frau ihnnicht teilte. Lieber erleichterte er sich dann und wann alleine, obwohl auch hier höchste Vorsicht geboten war, denn wer seinen Samen zum tausendsten Mal vergoss, bezahlte seine Sünde mit dem Tod.
»Wer wurde hier denn beigesetzt?«, fragte er.
»Eine Meretrix darf nicht auf geweihtem Boden bestattet werden«, erklärte Henning mit gedämpfter Stimme. Konrad nickte beifällig. Er lauschte, ob sich nicht endlich Schritte der Tür nähern wollten.
Isenhart wandte sich um und betrachtete die Kreuze jener Huren, denen die Kirche verwehrt hatte, neben den anderen, den Ehrbaren, beigesetzt zu werden.
Ein Mann, über dessen Kinn eine breite, schlecht verheilte Narbe verlief, öffnete die Tür: Bruno. Er hatte eine finstere Miene aufgesetzt, die sich aber zu einem Grinsen verzog, als er in dem nächtlichen Besucher Konrad erkannte.
»Freunde?«, fragte Bruno mit einer Kopfbewegung in Richtung von Henning und Isenhart.
Konrad nickte: »Wir müssen zu Brid.«
»Alle drei?«
»Ja.«
Bruno machte erfreut den Weg frei, schließlich erhielt er ein Drittel des Geldes oder der Lebensmittel, die die Huren einnahmen. Über die Jahre war auf diese Art nicht nur für sein leibliches Wohl gesorgt, er hatte neben der Pacht, die zu entrichten war, sogar etwas auf die hohe Kante legen können.
Henning und Isenhart folgten Konrad und Bruno über einen schmalen Gang, wo sich – immer der Nase nach – in einer Einlassung zur Linken die Kloake befand, in den Gemeinschaftsraum, in dem die stärkste Lichtquelle vom Ofen ausging. Drei junge Burschen saßen beim Würfelspiel an einem Tisch zusammen.
Sie erschraken wegen Konrads Uniform, die ihn als Wachmann der Stadt Spira zu erkennen gab, aber Bruno beruhigte sie. Fünf der acht Huren waren hier im größten Raum des Hauses versammelt und flochten Körbe, sofern sie keinen Gast zum Trinken oder zur Liebe animieren konnten. Auch an den Körben verdiente Bruno sein Drittel, aber um den Nebenerwerb kümmerte er sichnicht weiter, das oblag seiner
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