Isenhart
Frau, der ältesten der versammelten Hübschlerinnen, die Konrad freudig begrüßten. Die jüngste war die Tochter des Seilers, Iris.
Sie sprang von ihrem Platz auf und schmiegte sich gleich an Konrad. »Wann kommst du und heiratest mich?« Dabei legte sie ihre Hand auf seinen Schritt und bewegte sie sanft hin und her.
Sie war ein hübsches Kind, wie Isenhart fand. Feine Züge und ein freches Grübchen, wenn sie lächelte. In ihren Augen spiegelte sich echtes Entzücken. Aber das war nur eine Täuschung, wie Isenhart sich schnell besann, die Leidenschaft war nur gespielt. Wenn auch bemerkenswert gut.
»Wo ist Brid?«
Das Lächeln des Mädchens wandelte sich zu einem Schmollen, an der Nasenwurzel bildete sich eine feine Falte, die Ausdruck ihrer Verärgerung über diese Zurückweisung war. Brid war immerhin schon neunzehn Jahre alt!
»Oben«, sagte Bruno.
Als sei dies das Stichwort, öffnete sich über ihnen eine Tür, und ein Mann trat hinaus.
»In dem Zimmer?«, fragte Konrad. Bruno deutete ein Nicken an.
Konrad ging voraus und stieg die Treppe, die unter dem Gewicht der drei Männer bedenklich knarrte, hinauf.
Er hatte es seit dem Anblick von Lilith geahnt. Geahnt, dass Alexander von Westheim seine Schwester nicht ermordet hatte. Tief in seinem Innern hatte er auch gewusst, wie goldrichtig Isenhart mit seiner Theorie lag. Aber das anzuerkennen hätte auch bedeutet, sich der eigenen Schuld zu stellen. Konrad hatte sich an den Bernstein geklammert, in seinen Gedanken wurde aus den Indizien ein Beweis. Doch der Mord an Ketlin ließ Konrad von Laurin kapitulieren. Er sah den lachenden von Westheim vor sich, wie er Isenhart und ihm von seinen Reisen erzählte. Und demselben Mann hatte er nicht die Hand gereicht, als sie sein Gesicht mit kalter Erde bedeckten.
Gott hatte in der Kapelle der Burg das falsche Urteil gefällt.
Über die Schuld hinaus, die Konrad nun verspürte und ihn nur kurz lähmte, um dann seinen Willen, den wahren Mörder zu stellen, noch zu festigen, erschütterte ihn der Irrtum seines Schöpfers. Ihm war, als trage Aberak von Annweiler die Schuld für den Tod des Händlers, und deswegen hatte Konrad es sich zur Mission gemacht, diesen Mann bis zum letzten Atemzug zu jagen. Darin bot sich in seinen Augen die einzige Möglichkeit, sich von diesem Makel zu befreien. Und seinen Schöpfer.
»Drei gleich«, sagte Brid wenig begeistert, als sie Konrad und die beiden anderen, die hinter ihm in der Tür standen, erblickte. Sie hockte über einem kleinen Bottich mit Wasser, wobei ihr Kleid ihre Blöße verbarg, und wusch sich mit einem Schwamm.
Das Gesetz schrieb Huren vor, keinen Mann abweisen zu dürfen, der ihre Liebesdienste in Anspruch zu nehmen gedachte. Brid war hochgewachsen, hohlwangig und blond. Das natürlich gelockte Haar fiel ihr weit über die Schultern hinab. Ihr Becken hatte gebärfreudige Ausmaße, ihre Brüste waren voll, und sie war auch zu allerlei Dingen bereit, die der Klerus verbot, sofern der Preis stimmte.
Im Alter von elf Jahren war sie von ihrem Vater entjungfert worden. Mit dreizehn vertraute sie sich einem Geistlichen an, der sie und ihre Schwester Ketlin in Obhut nahm. Ihrem Vater wurde auf dem Marktplatz von Spira der Kopf vom Hals getrennt, irgendeine traurige Gestalt von weit her, ein Mann namens Giselbert, übernahm diese Aufgabe und benötigte dazu nur zwei Schläge.
Ketlin und sie waren Vollwaisen. Der Geistliche, von dem sie annahm, er würde die Vergehen ihres Vaters an ihr oder Ketlin fortsetzen, tat nichts dergleichen, sondern steckte sie beide in ein Kloster, damit sie Jesu dienten und mit Gottes Sohn die lebenslange Ehe führten.
Doch sie sah nicht ein, weshalb sie sich wegen der Verfehlungen ihres Vaters in ein Leben voller Trostlosigkeit fügen sollte. Sie nahm Ketlin mit und verdingte sich bei Bruno als Hübschlerin. Auf diese Weise machte sie genug Geld, um ihre Schwester und sich durchzubringen. Sicher, Bruno konnte seine Finger nicht von ihr lassen, aber er zahlte für jedes Mal.
Und er brachte Ketlin bei seinem Bruder unter, dem Lederer. Wenn der vom Abdecker seine Häute bezog, war es Ketlins Aufgabe, die Fleischreste von den Tierhäuten zu schaben.
Zweimal erst war Brid auf eine Engelmacherin angewiesen, die der reifenden Frucht in ihrem Unterleib, deren Vater sie nicht einmal hätte benennen können, mit Seifenlauge und Nadeln ein vorzeitiges Ende bereitete. Zwei der sechs Holzkreuze im Hof waren die Folgen von Abtreibungsversuchen. Ansonsten
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