Isenhart
Kinn stieß er von sich, den Nacken des Angreifers riss er zu sich hin. Ein dumpfes Knacken ertönte, und im selben Augenblick erschlaffte der Griff des Mannes. Gerade rechtzeitig, weil es Konrad Gelegenheit gab, der Schneide der Axt auszuweichen, die auf ihn niederfuhr. Er rollte zur Seite, ergriff im Hochfedern einen faustgroßen Stein, preschte in die erneute Ausholbewegung des zweiten Angreifers und schlug ihm vier-, fünfmal das Gestein ins Gesicht, bis das Nasenbein mit einem Knirschen nachgab und der Mann zu Boden stürzte.
Zur selben Zeit warf Isenhart sich nach vorne, rollte sich am Boden ab, was Sibille dazu zwang, ihn loszulassen. Ludolf, der im Zweikampf mit Henning lag, konnte diesen am Bein verletzen. Petrissa wollte sich auf ihn stürzen, aber Günther rammte ihr den Ellbogen zwischen die Augen, sodass sie zurücktaumelte, während Konrad dem fliehenden Angreifer dessen eigene Axt mit aller Kraft zwischen die Schulterblätter trieb.
Isenhart sprang Henning zur Seite, sodass sie nun zu dritt ihre Rücken deckten. Konrad war außer sich vor Wut. Jegliche Vorsicht fahren lassend warf er sich mit der Axt ins Getümmel.
Mit dieser ebenso soliden wie beherzten Abwehr hatten ihreGegner offensichtlich nicht gerechnet. Und als der Erste davonlief, ergriffen auch die anderen die Flucht.
Der letzte Mann war Anselm selbst, dem Konrad nachsetzte. Vor dem Scheunentor holte er ihn ein und schlug dem Wirt die Axt mit solcher Wucht ins Schienbein, dass er das Blatt nicht mehr herausziehen konnte. Er mühte sich zwar ab, aber die Axt stak so fest, dass er den vor Schmerzen brüllenden Mann hinter sich herschleifte. Außer Atem ließ Konrad von Laurin den Axtstiel los. »Nicht weglaufen«, wies er Anselm an und stapfte in die Scheune, um nach seinem Schwert zu sehen und die Sache auf diese Weise zu beenden.
Henning humpelte mit Isenhart und seinem Vater hinaus. Jederzeit eine neue Attacke erwartend, sahen sie sich um. Schwerer Eisengeruch vermengte sich mit dem der Erde, den der Regen zutage befördert hatte.
Konrad kehrte mit seinem Schwert zurück, mit dem er zum tödlichen Streich ausholte.
Isenhart hob den Arm: »Nicht, Konrad.«
Der hielt verdutzt inne, während Anselm sich nun selbst mühte, die Axt aus seinem Schienbein zu entfernen, ein Unterfangen, dem auch kein Glück beschieden war.
»Diese Schlangenbrut wollte uns ermorden!«
»Ich weiß«, erwiderte Isenhart, der sich trotz seines wild pochenden Herzens zur Ruhe zwang.
Er richtete den Blick auf Anselm, der ihn in einer Mischung aus Todesangst und Trotz erwiderte. »Handelst du im Auftrag von Michael von Bremen?«
»Nein«, brachte Anselm unter Schmerzen hervor, der von dieser Frage sichtlich überrascht war, »die Fährarbeit wirft nicht genug ab, und der Zehnte macht uns arm.«
»Ich kann schwerlich meine Tränen zurückhalten«, erwiderte Konrad, dessen Stimme vor Wut rau war, »wo finden wir den Rest von deinem Geschmeiß?«
Täuschte Isenhart sich, oder erhaschte er ein schadenfrohes Funkeln in den Augen des Mannes am Boden?
»Die müsst ihr nicht suchen. Die holen die anderen, und dann finden sie Euch. «
Die Worte verfehlten – bis auf Konrad – ihre Wirkung nicht. Unwillkürlich hoben sie den Blick und mühten sich, in der Dunkelheit Gestalten auszumachen.
»Gut«, sagte Konrad grimmig, »dann warten wir.«
»Das tun wir nicht«, entgegnete Günther von Braake bestimmt, »wir satteln die Pferde und verschwinden von hier. Kannst du reiten?«
Henning, der die Hand auf seine Beinwunde gepresst hielt, nickte.
Isenhart war erleichtert über Günthers Widerworte, denn er war einem weiteren Kampf überhaupt nicht geneigt. Zum einen würden sie es mit einer Überzahl aufnehmen müssen, und zum anderen – das war weitaus wichtiger – wollte er nicht kurz vor dem Ziel, kurz vor dem Zusammentreffen mit Michael von Bremen, von einer Horde Totschläger daran gehindert werden, Annas Mörder zu stellen.
Sein Blick fiel auf die beiden Pferde an der Tränke. »Die Kaufleute«, sagte er nur.
Henning nickte ihm zu: »Wir satteln so lange die Pferde, spute dich.«
Isenhart war einverstanden, aber er richtete das Wort noch einmal an Anselm: »Die Geschichte über Michael von Bremen – ist sie wahr?«
Anselm musterte ihn irritiert. Wie kam der Schmale ausgerechnet jetzt auf so eine Frage?
»Ja oder nein?«, drängte Konrad und trat leicht gegen den Stiel der Axt.
»Ja«, brachte Anselm mit einem Stöhnen über die Lippen.
Isenhart
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