Isenhart
näherte sich mit aller gebotenen Vorsicht dem Gasthaus, und es war ihm innere Aufrichtung, als er Augenblicke später Konrad neben sich bemerkte. Wie erhofft war der Schankraum leer. Eine knarzende Stiege führte hinauf zu zwei Räumen, deren Türen geschlossen waren. Ohne mit dem Türeisen anzuschlagen traten sie in den ersten ein. Konrad hatte die Öllampe mitgenommen und hielt sie hinein. Die Kaufleute lagen auf einem Strohlager, beide zur Hälfte entkleidet und tot.
Dabei also hatten sie Anselm und seine Söhne bei ihrer Ankunftgestört. Huste und Ludolf hatten die Hintertür benutzt, um dann durch den vorderen Eingang zu spazieren und vorzugeben, soeben von der Fähre gekommen zu sein.
Isenhart nahm Konrad die Lampe ab und öffnete vorsichtig die andere Tür. Im sanft tanzenden Licht des brennenden Öls entdeckte er zuerst Schuhpaare, ganze neunzehn an der Zahl. Daneben eine Kiste mit Dolchen, Steigbügeln und Gürteln. Wämser, Hemden, Beinkleider und Hüte lagen zu einem Haufen aufgeschichtet in einer Ecke.
»Was für eine Mördergrube«, stellte Konrad fest.
Isenhart nickte. Um ein Haar wären es dreiundzwanzig Schuhpaare gewesen.
Damit keiner auf die Idee kam, ihnen zu folgen, führten sie die Pferde der ermordeten Kaufleute mit sich, und obschon ihre eigenen Pferde Schwierigkeiten mit dem bald knietiefen Matsch hatten, trieben sie sie voran.
Als Isenhart sich noch einmal über die Schulter blickte, loderten Flammen zwanzig Fuß hoch in die Nacht.
»Mir ist die Lampe ins Stroh gefallen«, erklärte Konrad belustigt.
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20.
feu rankte um jene Grundmauern, über denen sich einst eine Burg erhoben hatte. »Hier lebt niemand mehr«, stellte Konrad enttäuscht fest.
Sie hatten die Burg oder vielmehr das, was von ihr übrig geblieben war, am Nachmittag des folgenden Tages erreicht. Ein Fischer, der mit seinen Söhnen unten am Fluss lebte, hatte ihnen den Weg gewiesen. »Nachts laufen da die Toten herum«, sagte er. »Die haben sich da oben in Tarup gegenseitig aufgefressen.«
Isenhart stellte sich vor, wie alles hier zugeschneit und vereist gewesen war. Wie einige den verzweifelten Versuch unternommen hatten, bis nach Mannenheim vorzustoßen, und unterwegs erfroren waren.
Ranken bedeckten Böden und Mauern. Allerlei Pflanzen hatten sich in die Zwischenräume der Steine genistet und ausgebreitet. Fünf oder zehn Jahre noch, dachte Henning, um dessen Fleischwunde sich sein Vater gekümmert hatte, und man würde nur noch ahnen können, dass hier jemals Menschenhand der Natur dieses Stück Erde abgetrotzt hatte.
Die Natur kennt die Gesetze der Menschen nicht, überlegte Isenhart, ohne zu ahnen, dass Henning ähnlichen Gedanken nachhing; vielleicht gehorchte sie einer höheren Ordnung – der göttliche Funke.
»Warten wir hier oder kehren wir um?«, fragte Konrad und sah Isenhart an. Für gewöhnlich wusste der, was zu tun war, wenn die Dinge sich nicht fügten. Wie seinem Vater war ihm Stillstand das größte Übel. Auch, wenn es keinem Sinn dienen mochte, sich zu bewegen, erschien Konrad das Leben viel leichter, wenn er es tat. Er stieg vom Pferd und drosch mit seinem Schwert auf hohes Unkraut ein, um sich einen Weg zu den Mauern zu bahnen.
»Hier ist ein Zugang!«, rief Henning aufgeregt. Er stand nebendem Rest einer Burgmauer, die sich konisch zum Himmel erhob, und winkte ihnen zu.
Über den »Zugang«, der nicht mehr als ein eingestürztes Deckenstück war, gelangten sie in einen Gewölbegang, der nur zu den Seiten von dicken Spinnweben bedeckt war. Der Weg in der Mitte war frei.
»Hier hat sich jemand bewegt«, stellte Günther fest und nahm die Armbrust von seinem Rücken, während sie dem Pfad zwischen den Gespinsten folgten.
An den Wänden staken erloschene Fackeln in ihren Halterungen. Konrad trat näher und fuhr mit der Hand darüber. Mit fachmännischer Miene zerrieb er die Rußreste zwischen Daumen und Zeigefinger.
»Und?«, fragte Günther.
»Keine zwei Tage her«, antwortete Konrad leise. Unbewohnt war diese Ruine also keineswegs.
Isenhart folgte Henning, der sich langsam vorwagte. Sie stießen auf eine Gewölbekammer, aus der ihnen starker Schimmelgeruch entgegenschlug, eine Farbe in der Palette der Gerüche, die ihnen nur allzu bekannt war. In einer Burg, so sagte ein Sprichwort, wohnen stets zwei Herren: der Besitzer und der Schimmel.
Das Gewölbe bildete anscheinend den Endpunkt ihres Vorstoßes, denn von hier tat sich kein weiterer Weg auf. In den Ecken waren
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